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Wie kann man die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung messen?

Wer Ziele hat, muss diese auch messen können. Doch wie genau geschieht das bei so weitreichenden und umfassenden Vorhaben wie der Agenda 2030 und den Zielen für nachhaltige Entwicklung?

Vor dunklem Himmel ist ein Hochhaus farbig angestrahlt.
UN Photo/Cia Pak

In der Agenda 2030 ist festgelegt, dass alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen »regelmäßige und alle Seiten einbeziehende Überprüfungen der Fortschritte auf nationaler und subnationaler Ebene« durchführen sollen. Das wird SDG-Monitoring genannt und ist das wichtigste Werkzeug, um dem Umsetzungsstand der 17 Ziele zu verfolgen.

Woran wird der Fortschritt gemessen?

Die UN haben sich auf 169 Unterziele und insgesamt 231 internationale Indikatoren geeinigt, die anzeigen, inwiefern die 17 Ziele erreicht werden. Dem Entwicklungsziel 1: Keine Armut sind beispielsweise sieben Unterziele und diesen wiederum 13 Indikatoren zugeordnet. Unterziel 1.1 will extreme Armut für alle Menschen überall auf der Welt bis zum Jahr 2030 beenden. Als extrem arm gilt ein Mensch, wenn er von unter 1,25 US-Dollar pro Tag leben muss. Der Indikator, mit dem der Fortschritt für dieses Unterziel gemessen wird, ist der Bevölkerungsanteil nach Geschlecht, Alter, Beschäftigungsstatus und geografischer Lage (Stadt/Land), der unter dieser international festgelegten Armutsgrenze lebt. Dieses offizielle globale Indikatoren-Rahmenwerk wird jährlich überarbeitet und von der UN-Statistikkommission überprüft.

Wie oft wird der aktuelle Stand überprüft?

Einmal im Jahr gibt der Weltbericht über nachhaltige Entwicklung einen Überblick über den globalen Umsetzungsstand und zeigt, in welchen Bereichen Fort- oder auch Rückschritte gemacht wurden und wo weiterer Handlungsbedarf besteht.

Gelten überall auf der Welt die gleichen Indikatoren?

Das globale Indikatoren-Rahmenwerk wird durch Indikatoren auf regionaler und nationaler Ebene ergänzt, die jeweils von den Mitgliedstaaten der UN entwickelt werden. Das ist wichtig, weil jedes Land unterschiedliche Ausgangslagen, Herausforderungen und Daten hat. Gleichzeitig gibt es dadurch viele verschiedene SDG-Monitorings, die sich auch hinsichtlich ihrer Qualität stark unterscheiden und teilweise schwer vergleichbar sind. Viele Länder haben die Agenda 2030 in nationale Nachhaltigkeitsstrategien überführt. Der Plan der Bundesregierung für die Umsetzung der Agenda 2030 und die Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Diese wird regelmäßig unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft weiterentwickelt und umfasst 72 Indikatoren, deren Daten über das Statistische Bundesamt erhoben werden.

Was sind die größten Herausforderungen beim SDG-Monitoring?

Für manche der 17 Ziele fehlen von mehr als der Hälfte der 193 UN-Mitgliedstaaten international vergleichbare Daten. Eine weitere große Schwachstelle ist die Datenaktualität. Einige Indikatoren sind bisher sehr vage formuliert, nicht quantifiziert und spiegeln das Gesamtziel nur unzureichend wider. Trotzdem gab es in den letzten Jahren große Verbesserungen im allgemeinen Monitoring: Die Datenmenge konnte deutlich gesteigert werden und die Indikatoren wurden vergleichbarer, genauer und damit auch nützlicher. Doch ein weiteres grundsätzliches Problem bei der Umsetzung der 17 Ziele sind sogenannte negative Spillover-Effekte.

Was sind negative Spillover-Effekte?

Während die Länder ihre eigenen Agenden für die Umsetzung der 17 Ziele im Inland verfolgen, hat ihr Handeln auch Auswirkungen auf das Ausland. Diese sogenannten Spillover-Effekte können positiv sein, sind in der Realität aber meist negativ. Sie zeigen sich in unerwünschten wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und sicherheitspolitischen Ausstrahlungseffekten, insbesondere von Industrieländern wie Deutschland auf andere Länder, und behindern die Bemühungen im Ausland, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Konkrete Beispiele für negative Spillover-Effekte sind die Auslagerung emissionsintensiver Produktionsprozesse oder die Duldung schlechter Arbeitsstandards in internationalen Lieferketten.

Was müsste sich ändern, um negative Effekte zu reduzieren?

Generell muss das Bewusstsein für diese negativen Effekte verstärkt werden. Negative Folgen können sehr viel besser gesteuert und reduziert werden, wenn sie gemessen werden können. Genau dafür hat das Sustainable Development Solutions Network (SDSN) ab 2019 einen Spillover-Index und ein Länderranking entwickelt, das jährlich veröffentlicht wird. Im Spillover-Index werden verschiedene Arten von Spillover-Effekten gemessen: ökologische und soziale Effekte im internationalen Handel, aus Wirtschafts- und Finanzströmen resultierende Effekte, Effekte in der Friedenssicherung und Sicherheitspolitik und solche durch grenzüberschreitende Wasser- und Luftströme. Viele industrialisierte Länder des Globalen Nordens, auch Deutschland (Platz 149 von 166 in 2023), schneiden schlecht im Ranking ab, haben also große negative Effekte auf ihr Ausland.

Welche Kontrollmechanismen gibt es von Seiten der UN?

Das jährlich in New York stattfindende Hochrangige Politische Forum für nachhaltige Entwicklung (High-Level Political Forum, HLPF) ist die zentrale Plattform der UN für das globale Fortschritts-Monitoring der SDGs. In Vorbereitung darauf wird jährlich der SDG-Fortschrittsbericht des UN-Generalsekretärs veröffentlicht. Auf dem HLPF berichten die Mitgliedstaaten in Form von freiwilligen nationalen Staatenberichten über ihren Umsetzungsstand, werden über den der anderen Länder informiert und können andere Berichte kommentieren. Jedes Land ist angehalten, mindestens zwei solcher Berichte im Umsetzungszeitraum vorzulegen. Darüber hinaus ist der alle vier Jahre veröffentlichte Globale Nachhaltigkeitsbericht von einer unabhängigen Gruppe aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine zentrale Bestandsaufnahme der SDGs.

Tabea Waltenberg, Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Deutschland

Dieser Artikel erschien in der Eine-Welt-Presse "17 Ziele für nachhaltige Entwicklung: Können sie bis 2030 erreicht werden?"