Was bedeutet Lula da Silvas dritte Amtszeit für die brasilianische Klimapolitik?
Als eines der größten und bevölkerungsreichsten Länder der Welt ist Brasilien ein wichtiger Akteur im Kampf gegen den Klimawandel. Brasiliens riesiger Regenwald und seine vielfältigen Ökosysteme sind für die Gesundheit des Planeten von grundlegender Bedeutung. Dagegen beeinflusst die große Bevölkerung und schnell wachsende Wirtschaft die Treibhausgasemissionen maßgeblich. Unter der Regierung Bolsonaros hat Brasilien einen bedeutenden Wandel in seiner Klimapolitik vollzogen, der international Besorgnis auslöste.
Im Dezember 2020 verkündete die Regierung unter dem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro eine neue Klimapolitik, die auf viel Kritik stieß. Der Plan sah vor, bis zum Jahr 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen - zehn Jahre später als das von vielen anderen Ländern gesetzte Ziel. Darüber hinaus enthielt er keine konkreten Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und stützte sich in hohem Maße auf unerprobte Techniken wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Er ging außerdem auch nicht auf den Schutz der Regenwälder und anderer Ökosystem vor Abholzung und weiterer Bedrohungen ein.
Brasiliens internationale Führungsrolle und die BRICS – gibt es noch Hoffnung für eine konstruktive Zusammenarbeit?
Das Engagement Brasiliens für den Globalen Süden und seine führende Rolle unter den BRICS-Staaten unterstreicht die Bedeutung seiner Klimapolitik. Als großes Entwicklungsland hat Brasilien durch die hohe Bevölkerungszahl und seine schnell wachsende Wirtschaft das Potenzial, erhebliche Emissionsreduzierungen zu bewirken. Allerdings ist das Land auch besonders von den Auswirkungen des Klimawandels, wie Dürren und Überschwemmungen, betroffen.
Dazu kommen Herausforderungen bei der Koordinierung der Klimapolitik zwischen den BRICS-Ländern, die unterschiedliche Prioritäten und Entwicklungsniveaus haben. China hat sich beispielsweise verpflichtet, bis 2060 kohlenstoffneutral zu werden, ist aber dabei stark auf Kohle als Energieträger angewiesen. Indien ist in ähnlicher Weise von Kohle abhängig und wurde für seine langsamen Fortschritte beim Übergang zu erneuerbaren Energien kritisiert.
Brasilien hat in der Vergangenheit eine wichtige Rolle in der Klimapolitik innerhalb des UN-Systems gespielt, insbesondere bei den Verhandlungen zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC). Auch bei den Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen hat es zur Festlegung des ehrgeizigen langfristigen Ziels zur Begrenzung des Temperaturanstiegs beigetragen. Unter der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva, der seit knapp 100 Tagen im Amt ist, hat Brasilien die Möglichkeit, seine führende Rolle wieder einzunehmen und sich erneut für ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen.
Wie das letzte offizielle Treffen zwischen der brasilianischen und der chinesischen Regierung am 14. April allerdings gezeigt hat, sind sich Lula da Silva und Xi Jinping näher denn je. Beide Seiten haben ein klares Interesse daran gezeigt, durch die BRICS Alternativen zu den westlichen Ländern als politische Partner zu präsentieren.
Ein neuer politischer Diskurs: ein Hoffnungsschimmer?
Dennoch ist die Wahl von Lula da Silva im November 2022 für die globale Klimapolitik vielversprechend. Lula hat sich in der Vergangenheit für die Umweltpolitik und Bekämpfung des Klimawandels starkgemacht. So setzte er in seinen beiden vorherigen Amtszeiten zwischen 2003 und 2010 Maßnahmen zur Verringerung der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes bis auf 67 Prozent um und richtete Schutzgebiete für indigene Bevölkerungsgruppen ein. Lula befürwortet den Wandel hin zu erneuerbaren Energien und kritisiert seinen Vorgänger Bolsanoro und dessen Umgang mit dem Klimawandel als „fahrlässig und unverantwortlich".
Neben der Wahl von Lula da Silva hat auch die kürzliche Ernennung von Marina Silva zur neuen Umweltministerin Brasiliens bei Umweltschützerinnen und Umweltschützern Optimismus ausgelöst. Silva, eine ehemalige Senatorin und Präsidentschaftskandidatin, ist eine bekannte Umweltschutzverfechterin und hat sich in Fragen des Klimawandels einen Namen gemacht. Sie setzt sich unter anderem für einen verbesserten Schutz der brasilianischen Regenwälder ein.
Silvas Ernennung stellt damit eine deutliche Abkehr vom vorherigen Umweltminister Ricardo Salles dar, der wegen seinen Verbindungen zur Agrarindustrie ständig kritisiert wurde. Unter Salles stieg die Abholzung des Regenwaldes im Amazonasgebiet zwischen 2018 und 2020 auf über 40 Prozent und erreichte den höchsten Stand seit über einem Jahrzehnt.
Was ist als Nächstes zu erwarten?
Die politische Landschaft Brasiliens ist nach wie vor komplex und erschwert die wirksame Bekämpfung des Klimawandels. Die brasilianische Wirtschaft ist in hohem Maße von Industrien wie Landwirtschaft, Bergbau, Öl und Gas abhängig, die erhebliche Treibhausgasemissionen verursachen und häufig in Widerspruch zu Klimaschutzbemühungen stehen.
Nach der Veröffentlichung des neuesten Berichts des Weltklimarats ist klar geworden, dass es im derzeitigen Szenario nicht möglich sein wird, die globale Erwärmung auf das ursprünglich angestrebte 1,5-Grad-Ziel zu begrenzen. Als einer der Hauptakteure beim Schutz der Wälder und der biologischen Vielfalt sowie bei der Produktion von Rohstoffen wird Brasiliens Rolle als Impulsgeber für den Klimaschutz erheblich zunehmen.
Die Wahl von Lula da Silva und die Ernennung von Marina Silva sind positive Entwicklungen für Brasiliens Herangehensweise an den Klimawandel und könnten ein erneutes Engagement für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit signalisieren. Doch es bleibt abzuwarten, wie viele Fortschritte angesichts des politischen und wirtschaftlichen Drucks erzielt werden können. Aus internationaler Sicht ist zu hoffen, dass Brasilien seine führende Position in multilateralen Diskussionen wieder einnimmt und sich für einen stärkeren Klimaschutz einsetzt. Konkret würde dies bedeuten, dass es wirksame Maßnahmen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) im eigenen Land ergreift und gleichzeitig seine Partner zu mehr Dialog im internationalen Bereich drängt.
Diego Takahashi