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Sport und Entwicklung – Fluch oder Segen?

Mega-Sportevents wie Fußballweltmeisterschaften oder Olympische Spiele haben Gastgeberländern oft mehr geschadet als genützt. Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen blieben aus, während Sportverbände Profite maximierten. Trotzdem kann Sport ein wirksames Instrument der Entwicklungshilfe sein.

Auf einer Mauer in Sao Paulo ist ein fußballspielender Junge abgebildet, neben ihm stehen die Worte "Fifa go home" als Zeichen des Protests gegen die Ausbeutung durch den Fußballverband.
Ein Straßenkunstwerk in Sao Paulo bringt den Protest gegen die FIFA zum Ausdruck. (jACK TWO/ flickr/ CC BY-NC-ND 2.0)

Große Sportevents sind ein heikles Thema: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist beispielweise vielen in bester Erinnerung geblieben und auch in Frankreich war die Euphorie anlässlich der Frauen Fußball-WM in den letzten Wochen groß. In Paris und Mailand freut man sich über die Vergabe der Olympischen Spiele (2024 in Paris) und der Olympischen Winterspiele (2026 in Mailand). Auch die Vereinten Nationen setzen auf Sport, zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit oder um Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Aber ist das sinnvoll?

Die Kosten für die Gastgeberländer

Die Ausrichtung großer Sportereignisse ist für manche Gastgeberländer nämlich alles andere als unterhaltsam: Unsummen an Geld fließen in Infrastrukturprojekte, die keine Zukunft haben, Menschenrechte und Umweltschutz werden vernachlässig und die lokale Bevölkerung muss sich den Interessen der Sport-Industrie fügen. Was den Gastgeberländern als Projekt zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung präsentiert wird, erweist sich hauptsächlich profitabel für Sportverbände und multinationale Unternehmen. 

So kostete die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 den brasilianischen Staat offiziell 8,75 Mrd. Euro, Schätzungen sprechen sogar von mehr als 10 Mrd. Euro. Ganze 85% dieser Ausgaben wurden von öffentlichen Geldern und durch Kredite finanziert. Außerdem wurden für die WM und die Olympischen Spiele, die zwei Jahre später ebenfalls in Brasilien stattfanden, zahlreiche Menschen zwangsumgesiedelt, wobei rechtliche Vorschriften wie gesetzliche Vorankündigungsfristen oft nicht eingehalten wurden. Schlimmer noch, eigens für diese Großevents wurden neue Gesetze wie das WM-Gesetz und das Olympia-Gesetz erlassen. Das WM-Gesetz hob unter anderem das bestehende Alkoholverbot in brasilianischen Fußballstadien auf, um das Bier der Sponsoren zu verkaufen und errichtete eine Sperrzone von zwei Kilometern rund um die Stadien, in der die FIFA das Recht hatte zu entscheiden, wer Handel betreiben durfte und welche Produkte zu verkaufen waren. Außerdem erlaubten die von den Sportverbänden initiierten Gesetze eine steuerfreie Abführung ihrer Gewinne. Dem brasilianischen Staat entgingen somit etwa 330 Millionen Euro an Steuergeldern – Geld, welches das Land gebraucht hätte, um die Kredite für Stadien zurückzuzahlen und aus den neu geschaffenen Infrastrukturen nachhaltige Projekte zu machen. 

Auch die Situation in Katar, wo im Jahre 2022 die nächste Fußballweltmeisterschaft der Männer stattfinden soll, lässt alles andere als Vorfreude aufkommen. Bereits 2014 war in einer Studie des Internationalen Gewerkschaftsbundes von etwa 1200 Arbeitern aus Nepal und Bangladesch die Rede, die beim Bau von Fußballstadien in Katar ums Leben kam. Doch weder diese Tatsache noch der Korruptionsskandal um die WM-Vergabe konnten Katar als Gastgeberland für die WM-Ausrichtung disqualifizieren. 

Das Potenzial als entwicklungspolitisches Instrument

Zwei Jugendliche im Südsudan bereiten sich auf ein Fußball-Turnier von UNICEF und der NGO Sport for Peace vor. (UN Photo/JC McIlwaine)

Dabei kann Sport durchaus ein erfolgreiches entwicklungspolitisches Instrument sein, das dazu beiträgt „politische, wirtschaftliche und religiöse sowie geschlechter- und rassenspezifische Unterschiede zu überwinden und trotz dieses Andersseins freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen.“ Genau darin besteht das eigentliche Kernkonzept des Olympismus: Dieser versteht sich als Lebensphilosophie, die den Sport in den Dienst der Gesellschaft stellt und sich auf die Werte Leistung, Freundschaft und Respekt stützt. Es ist vor diesem Hintergrund, dass die Vereinten Nationen im Jahre 2003 durch eine Resolution den Sport als ein Mittel zur Erziehungs-, Gesundheits-, Entwicklungs- und Friedensförderung anerkannten und 2005 die Regierungen dazu aufriefen, in entwicklungspolitischen Projekten auf Sport zurückzugreifen und eng mit Sportverbänden zusammenzuarbeiten. Im Jahre 2013 wurde dann durch eine weitere UN-Resolution der 6. April zum Internationalen Tag des Sports für Entwicklung und Frieden erklärt.

Durch Sportprojekte rund um die Welt setzen die UN die Olympischen Prinzipien dafür ein, Sport, Kultur und Erziehung miteinander zu verbinden. So fördert beispielsweise das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in lokalen Sportprojekten gezielt die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Auch UN Women und ihre Botschafterin, die brasilianische Spitzen-Fußballerin Marta Vieira da Silva, setzen sich für die Stärkung der Frauenrechte ein. Da Silva betonte erst kürzlich in einer Rede anlässlich des vom IOC ausgerichteten Women and Sports Awards, dass Sport ein wirkungsvolles Instrument zur Erreichung von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sei. 

Auch in der Flüchtlingsarbeit der UN spielt Sport eine wichtige Rolle: In einem Flüchtlingscamp in Burundi beispielsweise ermöglicht das Fußballspielen Frauen und Mädchen, Traumata zu überwinden und Selbstvertrauen aufzubauen. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) begann im April 2018 seine #WithRefugees Kampagne in einem Flüchtlingscamp in Jordanien mit einem Sportevent.

Sport in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit und viele verschiedene lokale und internationale Organisationen greifen auf den Sport zurück, um Toleranz und Respekt zu fördern. Zwischen 1961 und 2010 wurden mehr als 1300 Projekte der Internationalen Sportförderung von der Bundesregierung ins Leben gerufen, zum Teil mit beeindruckendem Erfolg. So trainierte Rudi Gutendorf unter anderem die ruandische Fußballmannschaft, und schaffte es dort, nur fünf Jahre nach dem Genozid, die verfeindeten Bevölkerungsgruppen in einer Mannschaft zu vereinen. „Ein Hutu hat geflankt und ein Tutsi den Ball ins Tor geköpft. Der gemeinsame Torjubel danach war der größte Erfolg meiner Karriere“ so der Fußballbotschafter. 

Voraussetzung dafür, dass Sport zur Entwicklung beitragen und „ein wichtiges Stück Diplomatie“ (Bundespräsident Steinmeier) leisten kann, ist jedoch, dass es um den Sport selbst geht und nicht um die Vermarktung eines Mega-Sportevents. Denn in dieser Hinsicht hat Sport als entwicklungspolitisches Instrument versagt. Während gezielte Sportprojekte großen gesellschaftlichen Mehrwert bringen und durchaus dialog- und friedensfördernd sein können, geht es bei sportlichen Großereignissen in erster Linie um finanzielle Gewinne für den Privatsektor und die internationalen Verbände – das können auch die Prinzipien des IOCs und die Menschenrechtsverpflichtungen der FIFA nicht verdecken. Es ist daher an der Zeit, bindende Menschenrechtsstandards für die Ausrichtung von internationalen Sportevents zu setzen und das bestehende Machtungleichgewicht zwischen Sportverbänden und Gastgeberländern im Sinne der Letzteren zu korrigieren. 

Rebecca Fleming

 

 

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