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Rettungsanker Rücküberweisungen

Sie sind mehr als dreimal so hoch wie die Mittel aus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit und übertreffen auch die ausländischen Direktinvestitionen: Rücküberweisungen, die Migrantinnen und Migranten Jahr für Jahr in Entwicklungsländer schicken.

(UN Photo/Mark Garten)

Die finanzielle Unterstützung durch Migrantinnen und Migranten stärkt besonders in Krisenzeiten die Familienbande. Im Jahr 2022 schickten nach Daten der Weltbank über 200  Millionen Arbeitsmigrantinnen und -migranten insgesamt ca. 589 Milliarden Euro in ihre Heimatländer. Nach Schätzung des Global Forums on Migration & Development fließt dreimal so viel Geld durch Rücküberweisungen in Entwicklungsländer wie aus Mitteln der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Über die Hälfte der Rücküberweisungen geht an Haushalte in ländlichen Gebieten und trägt wesentlich zur ländlichen und landwirtschaftlichen Entwicklung bei. In die Landwirtschaft fließt damit sogar viermal so viel Geld aus Rücküberweisungen als aus Mitteln der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit.

Auch in der Pandemie stabil

Während der COVID-19-Pandemie blieben die Überweisungsströme insgesamt recht stabil. Obwohl zunächst ein starker Rückgang erwartet worden war, gab es 2020 nur einen leichten Rückgang um 2,4 Prozent gegenüber 2019. 2021 stiegen die Rücküberweisungsströme in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen dann bereits wieder an. Zwar schicken Migrantinnen und Migranten »nur« ca. 15 Prozent ihres Einkommens in die Heimat. Doch vor Ort kann dieses Geld mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens der Haushalte ausmachen. In vielen Ländern liegt der Anteil der Rücküberweisungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweistelligen Bereich. Besonders hoch ist er in einigen zentralasiatischen Ländern und in kleinen Inselstaaten, zum Beispiel im Pazifik, wo er im Durchschnitt bei 10,1 Prozent des BIP liegt. In mehr als 70  Ländern machen Rücküberweisungen mindestens vier Prozent des BIP aus.

Mehr Geldströme auf formellen Wegen

In den letzten 20 Jahren haben sich die Überweisungsströme verfünffacht. Auch die Art und Weise, wie Geld geschickt wird, hat sich enorm verändert. Früher verließen sich viele Migrantinnen und Migranten auf informelle Lösungen. So fanden Geldscheine eingerollt und in Kassetten versteckt per Post den Weg nach Ghana, oder Bargeld wurde heimreisenden Bekannten mitgegeben, kam aber in den Dörfern Bangladeschs nicht immer oder nur mit Verspätung an. Heute werden dagegen deutlich mehr formelle, digitale Überweisungen getätigt. Statistisch werden sie nun auch entsprechend besser erfasst. Banken, Finanzinstitute, Geldtransferunternehmen oder Postfilialen bieten heute einfachere und sichere Möglichkeiten, international Geld zu überweisen. Eine durchschnittliche Überweisung beträgt etwa 188 bis 283 Euro pro Monat. Nach Angaben des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) der UN stiegen die Beträge, die über Mobiltelefone verschickt wurden, ohne dabei ein Bankkonto zu benutzen, 2020 auf insgesamt 12,7 Milliarden US-Dollar und 2021 auf 16 Milliarden US-Dollar. So hat zum Beispiel in Bangladesch das Zahlungssystem ›bKash‹ den Zahlungsverkehr revolutioniert. Um über ›bKash‹ Geld zu senden und zu empfangen ist kein Bankkonto nötig. Das Geld kann einfach in teilnehmenden Geschäften eingezahlt und mit einer PIN-Nummer abgeholt werden. So ist das Zahlungssystem auch in abgelegenen Dörfern verfügbar.

Sinkende Kosten

Auch die Kosten für solche einfachen und sicheren Überweisungen sind erheblich gesunken. So zeigt der Fortschrittsbericht des UN-Generalsekretärs zu den 17 Zielen (»Progress towards the Sustainable Development Goals: Towards a Rescue Plan for People and Planet«), dass die durchschnittlichen Kosten einer Überweisung von ca. 188 Euro von 9,3 Prozent im Jahr 2011 auf 7,42 Prozent 2016 und auf 6,3  Prozent 2021 gesunken sind. Das ist erfreulich, bedeutet aber auch, dass die Zielvorgabe von SDG  10c noch nicht erreicht ist. Danach sollen bis 2030 die Transaktionskosten für Überweisungen von Migrantinnen und Migranten in die Heimat auf unter drei Prozent gesenkt werden. Dass das noch nicht gelungen ist, ist problematisch, denn so sehen sich viele Migrantinnen und Migranten gezwungen, weiterhin Geld auf informellen, unsicheren aber preisgünstigeren Wegen zu schicken. Zu viel von ihrem oft hart erarbeiteten Geld, das die Finanzinstitute in Form von Gebühren abzweigen, geht für ihre Familien und für die Entwicklung vor Ort verloren. Gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen wird der größte Teil der Überweisungen dazu verwendet, die Grundbedürfnisse der Haushalte zu decken. Auch wird viel davon in Bildung und unternehmerische Aktivitäten investiert, um das Haushaltseinkommen zu verbessern, Arbeitsplätze zu schaffen und den Angehörigen in der Heimat heute und in Zukunft ein gutes Auskommen zu ermöglichen.

Christina Kamp

Dieser Artikel erschien in der Eine-Welt-Presse "Finanzierung nachhaltiger Entwicklung."

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