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Für mehr Ernährungssicherheit: Internationales Jahr der Hirse 2023

Hirse ist widerstandsfähig gegenüber Klimaveränderungen – beste Voraussetzung, um in Zukunft wieder eine größere Rolle in der Welternährung zu spielen. Das von der UN-Generalversammlung erklärte 'Internationale Jahr der Hirse 2023' soll ihren Anbau und eine nachhaltigere Landwirtschaft fördern.

Eine Bäuerin hält Hirse in die Kamera, im Hintergrund stehen UN-Peacekeeper mit blauen Helmen.
UN-Friedenssicherungskräfte begleiten eine Bäuerin in Nord-Darfur, während sie Hirse erntet. (UN Photo/Albert Gonzalez Farran)

Federführende Organisation zur Umsetzung von Aktivitäten im Internationalen Jahr der Hirse ist die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), deren Generaldirektor Qu Dongyu zum Auftakt des Jahres die Potenziale der Hirse deutlich machte: „Hirse ist eine unglaubliche, uralte Kulturpflanze mit hohem Nährwert.“ Sie könne dazu beitragen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu stärken, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, Hunger zu beseitigen, sich an den Klimawandel anzupassen, biologische Vielfalt zu fördern und die auf der Landwirtschaft basierenden Nahrungsmittelsysteme neu zu gestalten.

All dies ist dringend nötig, denn die Herausforderungen sind gewaltig. Nach jahrzehntelangen Entwicklungsfortschritten nehmen Armut und Ernährungsunsicherheit weltweit zu. Der Klimawandel schreitet voran, die biologische Vielfalt geht dramatisch zurück, in vielen Ländern nimmt die Bodenqualität ab. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung, deren Ernährungsmuster in weiten Teilen einseitig, ungesund und wenig nachhaltig sind.

Diversifizierung geboten

Wie abhängig die Ernährung der Welt von einigen wenigen Grundnahrungsmitteln ist und wie verheerend sich Produktionsrückgänge in wichtigen Anbauländern oder Störungen der Versorgungsketten auswirken können, haben erst jüngst die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine deutlich gemacht. Auch die Inflation hat erheblichen Einfluss auf die Ernährungslage. In Dutzenden von Ländern liegt sie derzeit im zweistelligen Bereich.

Nach Daten des Welternährungsprogramms (World Food Programme, WFP) sind 349 Millionen Menschen in 79 Ländern von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und die Situation könnte sich noch weiter verschlechtern. Das WFP schätzt, dass die weltweiten Nahrungsmittelvorräte 2023 auf ein Dreijahrestief sinken könnten. Somit kommt das „Internationale Jahr der Hirse 2023“ zu einem passenden Zeitpunkt. Bislang macht Hirse weniger als drei Prozent des weltweiten Getreidehandels aus. Ihre Renaissance könnte dazu beitragen, die Ernährungslage vieler Menschen zu stabilisieren.

Hirse – ein traditionelles Grundnahrungsmittel

Die Geschichte der Hirse reicht bereits Jahrtausende zurück, sie ist tief in der Kultur und den Traditionen vieler Völker verwurzelt. Vor allem in Afrika südlich der Sahara und in Asien gehört Hirse zu den traditionellen Grundnahrungsmitteln. In Zentralasien zum Beispiel profitieren Nomadenvölker vom kurzen Anbauzyklus einiger Hirsearten. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch haben die westafrikanischen Länder.

Das kleinkörnige Spelzgetreide lässt sich im Wesentlichen in zwei Hauptgruppen einteilen: zum einen die Sorghumhirsen (wie Zuckerhirse) mit deutlich größeren Körnern und damit auch höheren Erträgen pro Hektar und zum anderen die Millethirsen (auch Echte Hirsen oder Kleine Hirsen genannt, darunter zum Beispiel Rispenhirse, Kolbenhirse, Perlhirse, Fingerhirse und Teff) mit recht kleinen Körnern und entsprechend geringeren Hektarerträgen.

Die wichtigsten Hirsekulturen sind Sorghum und Perlhirse. Sorghum wird vor allem in den USA angebaut, dort allerdings vorwiegend als Viehfutter, aber auch als Bio-Kraftstoff genutzt. Indien ist der größte Produzent von Millethirsen. Auch China, Niger, Nigeria und Sudan sind wichtige Anbauländer. Während Weizen und andere beliebte Getreidearten nährstoffhaltige Böden brauchen, ist Hirse deutlich anpassungsfähiger an verschiedene Produktionsumgebungen. Sie ist anspruchslos und kommt auch mit nährstoffärmeren, trockeneren Böden zurecht. Hirse braucht keine künstliche Bewässerung und ist auch toleranter oder sogar resistent gegenüber Krankheiten und Schädlingen. All dies macht sie deutlich widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen. Stehen gute Böden und mehr Wasser zur Verfügung, lassen sich die Ernteerträge steigern.

Nachhaltig im Anbau und wertvoll für die Gesundheit

Wenn Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mehr Hirse anbauen, können sie dadurch ihre Produktionskosten und -risiken senken, externe Schocks abfedern und ihren Lebensunterhalt sichern. In trockenen Gegenden ist Hirse oft die einzige Kulturpflanze, die in der Trockenzeit geerntet werden kann. Sie kann helfen, Nahrungsmittelknappheit zu überwinden und die Ernährung besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen zu sichern. Auch auf Brachland oder wenig fruchtbaren Böden lässt sich mit Hirse ein Einkommen erzielen. Damit verhindert man durch ihren Anbau eine weitere Verschlechterung der Bodenqualität und fördert die biologische Vielfalt.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist Hirse eine gesunde Abwechslung zu Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais oder Reis. Sie ist schmackhaft und eignet sich zum Beispiel für Risotto, für Brei, als Füllung für Gemüse oder als Beigabe zu Suppen, Eintöpfen und Müslis.

Hirse hat einen hohen Nährstoffgehalt. Sie enthält Ballaststoffe, Antioxidantien, Proteine und Mineralstoffe, insbesondere Eisen. Im Gegensatz zu vielen anderen Getreidearten ist sie glutenfrei und hat einen niedrigen glykämischen Index. Somit kann sie auch für Personen mit Gluten-Unverträglichkeit oder Diabetes geeignet sein. In Hinblick auf Schilddrüsenprobleme ist allerdings Vorsicht geboten, denn Hirse kann den Jodstoffwechsel beeinträchtigen.

Das Jahr der Hirse – eine indische Initiative

Den Vorschlag für das 'Internationale Jahr der Hirse' hat Indien bei den Vereinten Nationen eingebracht. In den 1960er-Jahren wurde während der sogenannten ‚Grünen Revolution‘ vor allem in den Ländern des globalen Südens auf Hungersnöte reagiert, indem man Hochertragssorten wie Reis oder Weizen einführte und die Mechanisierung sowie den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln vorantrieb. Nicht nur die Verschärfung sozialer Ungleichheit war die Folge. Heute setzt Indien wieder verstärkt auf Hirse. Neben staatlichen Stellen fördern auch nichtstaatliche Organisationen wie die Millet Foundation oder die Deccan Development Society (DDS) den Anbau des Getreides. DDS setzt schon lange auf Hirse und arbeitet mit Frauengruppen zusammen, die zuvor unbenutzbare landwirtschaftliche Flächen wieder aktiv bewirtschaften. Sie zeigen, dass selbst von starker Armut betroffene Bäuerinnen, die die Kontrolle über ihre Landwirtschaft und ihre natürlichen Ressourcen haben, mit etwas Unterstützung und Zugang zu finanziellen Mitteln sich selbst und ihre Gemeinschaften ernähren können. Damit geben sie Beispiele, wie die Ausweitung der Hirse-Produktion den Wandel hin zu einer integrativeren, widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Landwirtschaft voranbringen kann.

Von Christina Kamp

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