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Die Ge­fahr über unseren Köpfen: Welt­raum­schrott und seine He­raus­for­de­run­gen

Der Müll im All nimmt exponentiell zu und bedroht den menschlichen Fortschritt. Auf dem World Space Forum 2024 Anfang Dezember in Bonn diskutierten Experten und Expertinnen deshalb mögliche Lösungsansätze für eine nachhaltigere Nutzung des Kosmos.

Ein Bild aus dem Weltall, in der Mitte sieht man die Erde mit tausenden kleiner Pünktchen, die bei näherem Hinschauen als Satelliten erkennbar sind.

In fast sechzig Jahren Weltraumaktivitäten wurden rund 7500 Satelliten in die Umlaufbahn gebracht, von denen etwa 4300 im Weltraum verbleiben. (Foto: ESA/ID&Sense/ONiRiXEL/cropped from original)

Tagtäglich rasen tausende Tonnen Welt­raum­müll über uns hinweg und bedrohen Satelliten, Raum­stationen und zukünftige Missionen. Um das All langfristig zu schützen, sind internationale Zu­sammen­arbeit und techno­logische Innovation unab­dingbar. Beim World Space Forum vom 2. bis 5. Dezember 2024 betonte Pascal Faucher, Vor­sitzender der EU Space Surveillance and Tracking Partnership (EU SST), die Dring­lichkeit, “jetzt zu handeln.” 

Auf dem Forum insbesondere diskutiert wurden Ansätze zur Umsetzung der 'Space2030’-Agenda für eine nachhaltige Welt­raum­nut­zung als Beitrag zu den Zielen für nach­haltige Entwicklung (Sus­tainable De­velop­ment Goals – SDGs) der Vereinten Nationen.

Ur­sprung und Be­dro­hung durch Welt­raum­schrott

Seit dem Start des ersten Satelliten ‘Sputnik’ im Jahr 1957 sammelt sich Müll aus über 65 Jahren Raumfahrt im Kosmos. Auf dieser galaktischen Müllhalde liegen unter anderem ausgediente Satelliten, Raketenreste und auch verlorene Werkzeuge von Raum­fahrt­missionen. Laut der Euro­päischen Weltraum­organisation (ESA) befinden sich über 36.860 erfasste Trümmerteile im All. Radaranlagen und Teleskope der USA katalogisieren Objekte größer als zehn Zentimeter. Die deutsche Groß­radar­anlage TIRA in Wachtberg bei Bonn erfasst sogar kleine Objekte ab etwa zwei Zentimetern. 

Doch nicht alle Trümmerteile sind verfolgbar. Wissen­schaft­lerinnen und Wissen­schaftler schätzen anhand von Modellen, wie etwa dem in Deutschland an der TU Brauns­chweig, entwickelten ESA-MASTER-Modell, dass etwa 130 Millionen Welt­raum­müll­objek­te von mehr als einem Milli­meter bis einem Zenti­meter im Weltraum unter­wegs sind. Faucher sagte beim World Space Forum in Bonn: “Im Jahr 2010, nach 50 Jahren Welt­raum­aktivitäten, kreisten damals 1.000 aktive Raum­fahr­zeuge um die Erde. Heute haben wir  mehr als 10.000 aktive Raum­fahr­zeugen in der Umlauf­bahn. Und alle sechs Monate werden weitere 1.000 Raum­fahrzeuge in die Umlauf­bahn gebracht, was dem Äquivalent der ersten 50 Jahre Welt­raum­aktivität entspricht.”

Welt­raum­müll nimmt expo­nentiell zu

Weltraumschrott ist immer gefährlich, egal wie klein er ist. Selbst winzige Partikel, die mit mehreren zehn­tausend Kilo­metern pro Stunde durch die Weltraum­bahnen rasen, verwandeln sich in scharfe Geschos­se. Eine große Gefahr stellt der ‘Kes­sler-Effekt’ dar. Zufällige Kollisionen erzeugen immer mehr Bruch­stücke, die unkontrol­lierbare Ketten­reak­tionen auslösen könnten. So kollidierten am 10. Februar 2009 der aktive amerika­nische Satellit ‘Iridium 33’ und der inaktive russische Satellit ‘Kosmos 2251’. Bis heute wurden 1.700 Trümmer­teile identifiziert, die bei dieser Kollision entstanden sind. Deshalb sollten ausgediente Satelliten als Zwischen­lösung auf die sogenannte ‘Friedhofsbahn’ in etwa 300 Kilometern Höhe oberhalb der geo­statio­nären Umlaufbahn geschickt werden. Dort stören sie keine aktiven Satelliten mehr.

Im Kampf gegen den Weltraum­schrott will die ESA mit der Mission ClearSpace-1’ eine Welt­raum-Müllab­fuhr testen. Die Sonde soll einen ausgedienten Satelliten umklam­mern und ihn in Richtung Erde abschleppen, damit er in der Atmos­phäre verglüht. Laut den letzten Zahlen der ESA fliegen derzeit etwa 13.230 Satelliten im Orbit, davon 10.200 funktionsfähig. Unser modernes Leben hängt von Satelliten­techno­logien ab, die uns in Echtzeit kom­munizieren lassen, GPS bieten und Medien­inhalte liefern. Müll im Weltall gefährdet Satelliten durch mögliche Kollisionen. Kurz gesagt: Weltraum­schrott bedroht den mensch­lichen Fortschritt.

Das Be­wusst­sein für die Pro­ble­matik wächst

Laut Artikel I des Weltraum­vertrages (Treaty on Prin­ciples Governing the Activities of States in the Explo­ration and Use of Outer Space, including the Moon and Other Celestial Bodies; kurz: Outer Space Treaty) steht der Kosmos für alle Staaten offen zu Erkundung und zur Nutzung. Daher kann dem Problem des Weltraum­schrotts nur mit inter­natio­naler Kooperation begegnet werden. Die Vereinten Nationen haben seit Beginn der Weltraum­fahrt in den späten 1950er-Jahren die Initiative ergriffen und einen speziellen Ausschuss gegründet: Unmittelbar nach dem ersten Satelliten­start wurde 1959 der UN-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Welt­raums (UN Committee on the Peaceful Uses of Outer Space – UNCOPUOS) eingerichtet. Der Ausschuss hatte 1959 noch 24 Mitglieder, heute sind es 102 Staaten (Stand: Juli 2024). Die Mitgliedschaft im UNCOPUOS hat sich über die Jahre vergrößert und zeigt: Das Bewuss­tsein über die Problematik des Weltraum­schrotts wächst. 

Die Ge­neralver­sam­mlung der Vereinten Nationen hat in ihrer Resolution 76/3 (2021) zudem die ‘Space2030’-Agenda verabschiedet. Diese bietet einen Plan für die Verwirk­lichung einer nach­haltigen Entwicklung durch den Einsatz von Innova­tionen und Technologien aus der Weltraum­forschung. Welt­raum­techno­logien liefern präzise Informa­tionen aus selbst unzugänglichen Erdre­gionen in Echtzeit, die als Grundlage für politische Entschei­dungen dienen. Beschädigt Weltraum­schrott Satelliten und stört diesen Informations­fluss, lassen sich die SDGs nicht mehr überprüfen. Auch im Zukunfts­pakt (Pact for the Future) wurde im September in New York in Aktion 56 die Raum­fahrt als Katalysator für die Erreichung der SDGs gewürdigt.

Woran es bei der Re­gu­lie­rung des Welt­raum­schrotts ha­pert

Trotz des Weltraum­vertrags von 1967 fehlen bis heute verbindliche Mechanismen zur Müllbe­seitigung und nach­haltigen Nutzung des Alls. Die 2019 verabschiedeten Leitlinien für die langfristige Nach­haltigkeit von Weltraum­aktivi­tä­ten bieten zwar Orientierung, sind jedoch unverbindlich. Die Vor­sitzende des Büros der Vereinten Nationen für Weltraum­fragen (United Nations Office for Outer Space Affairs – UNOOSA), Aarti Holla-Maini, betonte beim World Space Forum 2024 die Dringlichkeit, diese Welt­raum­richt­linien effektiver umzusetzen. Holla-Maini verteidigte die Leitlinien: In ihrer Umsetzung erforderten diese ähnliche Anstren­gungen wie ein rechtlich bindender Vertrag. Das größte Problem liege ihrer Meinung nach im fehlenden Vertrauen zwischen den Staaten. Vor allem an der Re­gistrie­rung von Raumfahrt­objekten scheitere es, da die Staaten Angst hätten, diese sensiblen Daten zu teilen. Im Gespräch mit der Völker­rechts­expertin Romy Klimke zeigte sie ein weiteres Problem bei der Umsetzung effektiverer Regeln auf: "Die Staaten haben eine unterschiedliche Auf­fassung davon, wer im Falle eines Schadens als Verursacher haften soll." Am Ende ihrer Rede forderte die Vorsitzende Holla-Maini ein schnelleres und zukunfts­orien­tiertes Handeln des UNCOPOUS: “Das Tempo des Fortschritts wartet nicht auf den Ausschuss.”

Laura Stettner

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