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Der UNDP-Bericht 2023/24 zum Stand der menschlichen Entwicklung

Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2023/2024 (Human Development Report, HDR) wurde kürzlich veröffentlicht und im Rahmen einer Pressekonferenz von Achim Steiner, Svenja Schulze und Ekkehard Griep in Berlin vorgestellt. Kerstin Leitner, DGVN-Präsidiumsmitglied, gibt eine Einschätzung ab.

Dr. Ekkehard Griep, Svenja Schulze und Achim Steiner mit dem "Snapshot-Bericht" des HDRs. (Foto: DGVN)

Am 19. März stellte der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) Achim Steiner den diesjährigen Bericht über die menschliche Entwicklung zusammen mit der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze und dem Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) Dr. Ekkehard Griep in der Bundespressekonferenz in Berlin vor.

Alle waren sich einig und betonten die Dringlichkeit der Situation: Um die zunehmenden globalen Herausforderungen zu bewältigen, ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit unerlässlich. Die Bundesministerin machte dabei deutlich, dass die Förderung der Entwicklungszusammenarbeit jetzt mehr denn je erforderlich ist, da sich der aktuelle Zustand durch die eskalierenden Auswirkungen des Klimawandels und zahlreiche humanitäre Krisen weiter verschärft. Zusätzlich hob Ekkehard Griep die essenzielle Rolle der Zivilgesellschaft hervor und betonte die Notwendigkeit, sie aktiv in Entscheidungsprozesse im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen.

Eine Einschätzung von Kerstin Leitner

Der Bericht ist der politischen und gesellschaftlichen Polarisierung in unserer heutigen Welt gewidmet und stellt sich zur Aufgabe, einmal durchzudenken, wie diese Polarisierung mit all ihren negativen Folgen für Frieden und Wohlergehen überwunden werden kann.

Ausgehend von einer Analyse des Ist-Zustandes (Kapitel 1 und 2), der ja keineswegs statisch, sondern sehr dynamisch ist, diskutieren die Autorinnen und Autoren, wie man von der Konfrontation zu einem Modus der Kooperation kommen kann. Als Treiber eines solchen Wandels sehen sie die Beachtung und Bewahrung der globalen Allgemeingüter an und ergänzen diese um planetarische Allgemeingüter (Klima, Ökosysteme, Biodiversität), die im Erdzeitalter des Anthropozäns zunehmend an Bedeutung für die menschliche Entwicklung gewinnen (Kapitel 3). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass selbst bei abnehmender Globalisierung und wirtschaftlicher Entflechtung die globale Interdependenz über nationale Grenzen hinweg bestehen bleiben wird, weil es globale Herausforderungen gibt, die nur multilateral gemeistert werden können. 

Mit vielen Grafiken und anhand zahlreicher Beispiele, festgehalten in spotlights, zeigt der Bericht die vielfältigen Aspekte, was und wie in den vergangenen Dekaden (vor allem nach 1989) die internationale Interdependenz falsch gemanagt wurde. Aber er weicht einer Frage aus, nämlich, wie und seit wann entstand diese Polarisierung? Warum bestimmt die Gewalt der realen oder der angeblichen underdogs das internationale und nationale Geschehen wirtschaftlich, kulturell und politisch? Wie war es möglich, dass die Russische Föderation sich politisch abwandte vom bestehenden geopolitischen System und seinen eigenen, gewalttätigen Weg gegangen ist, ohne dass der Rest der Staatengemeinschaft dieser Entwicklung Einhalt gebieten konnte? Wie kam es zur Verunsicherung der russischen Führung bis hin zur gefühlten russischen Minderwertigkeit und in den USA zur vorherrschenden Vorstellung, eine hegemoniale Macht zu sein? Der Bericht diskutiert ausführlich, welches Verhalten notwendig ist, um eine für alle gewinnbringende Kooperation zu gestalten. Nur wie kommen wir dahin? Es ist zu fürchten, dass ohne eine selbstkritische Analyse der Führungen der internationalen Staatengemeinschaft, wie es zu diesen politischen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen gekommen ist, kein wirkliches Umdenken erreicht werden kann.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Rolle der Vereinten Nationen. In einem spotlight (S. 197) “Geopolitics and the early history of the United Nations: Friend or foe?” wird dieser Frage nachgegangen. Aber die grundsätzliche Frage, was hätten die Vereinten Nationen, vor allem ihre Mitglieder, anders machen können, wird nicht gestellt. Es bleibt bei der Konstatierung des Reformbedarfs der Organisation.

Der Bericht mit über 300 Seiten ist sehr reichhaltig. Man wird ihn kaum von Beginn bis zum Ende durchlesen, obwohl die Texte gut verständlich geschrieben sind. Der statistische Anhang, wie immer, umfangreich, und nicht leicht zu überschauen. Insgesamt, ein Bericht, der sich wohltuend von den gängigen Kassandrarufen abhebt, und sicherlich eines erreichen kann: zum Nachdenken anregen.

Zum gesamten HDR 2023/2024 in englischer Sprache geht es hier.

Zur deutschen Übersetzung des für sich stehenden „Snapshot-Berichts“ des HDRs geht es hier.

Die Übertragung der Pressekonferenz finden Sie hier.