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50 Jahre Völkerverständigung in deutscher Sprache

Seit 50 Jahren fertigt der Deutsche Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen Übersetzungen von zentralen UN-Dokumenten an. Doch seine Arbeit war von Beginn an mehr als reine Sprachmittlung – sie war und ist auch ein Akt der Diplomatie.

Oben und unten ist jeweils eine Gruppe an Menschen zu sehen.
Das Team des Deutschen Übersetzungsdienstes - damals und heute (Foto: DÜD)

Als der Deutsche Über­setzungs­dienst (DÜD) der Vereinten Nationen am 1. Juli 1975 seine Arbeit aufnahm, war die Welt eine andere: „Der weiße Hai“ füllte die Kinosäle, Disco-Musik dominierte die Tanzflächen, und „Ausschneiden und Einfügen“ war buchstäblich eine Sache von Schere und Kleber. Doch während sich Technik, Politik und Gesellschaft seither rasant wandelten, blieb eines konstant: Der DÜD macht seit nunmehr fünf Jahrzehnten zentrale UN-Dokumente für den deutsch­sprachigen Raum zugänglich – präzise und zuverlässig.

Eine Idee wird Realität

Die Wurzeln des DÜD reichen in die frühen 1970er-Jahre zurück, als die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ihren Beitritt zu den Vereinten Nationen vorbereiteten. Der bundesdeutsche Geisteswissenschaftler Dr. Ruprecht Paqué regte 1972 in einem Artikel der Stiftung Wissenschaft und Politik die Einrichtung einer deutschsprachigen Übersetzungseinheit bei den Vereinten Nationen an. Nur auf diesem Weg, so sein Argument, ließe sich eine einheitliche Terminologie für den gesamten deutschsprachigen Raum gewährleisten – ein entscheidender Beitrag zur Verständlichkeit und Akzeptanz der Arbeit der Vereinten Nationen.

Nach dem Beitritt der beiden deutschen Staaten im Jahr 1973 schlossen sie sich mit Österreich zusammen und beantragten 1974 offiziell die Übersetzung ausgewählter UN-Dokumente ins Deutsche. Die Generalversammlung folgte dem Antrag und beschloss mit Resolution 3355 (XXIX) die Herausgabe zentraler Dokumente ab dem 1. Juli 1975 auch auf Deutsch.

Pionier­arbeit und erster Stress­test

Dr. Paqué wurde erster Leiter des neuen Dienstes, der zunächst als kleine Einheit begann. Das erste übersetzte Dokument war die Einführung zum Bericht des Generalsekretärs von 1974 über die Arbeit der Organisation. Doch die Arbeit des DÜD war von Beginn an mehr als reine Sprachmittlung – sie war auch ein diplomatischer Balanceakt. Die unterschiedlichen politischen Systeme der beiden deutschen Staaten spiegelten sich in divergierenden Sprachregelungen wider, was zu Spannungen führte. 1982 zog sich die DDR aus der Finanzierung des Dienstes zurück, was dessen Fortbestand gefährdete. Eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich sicherte schließlich ab 1983 die weitere Finanzierung.

Vier deutsch­spra­chige Staaten ziehen an einem Strang

Ab 1992, also lange vor ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen, beteiligte sich auch die Schweiz an der Finanzierung. Als sie 2002 UN-Mitglied wurde, erhöhte sie ihren Beitrag entsprechend der auch für die anderen Beitragsländer geltenden Formel. Nach ihr bemisst sich der Beitrag eines Landes zum Treuhandfonds des Deutschen Übersetzungsdienstes nach seinem jeweiligen Beitragsanteil zum ordentlichen Haushalt der Vereinten Nationen. Auch das Fürstentum Liechtenstein engagiert sich und leistet jährlich großzügige freiwillige Beiträge.

Sprach­liche Exzellenz und Sprach­tech­no­logie im Dienste der Diplomatie

Der DÜD ist weit mehr als ein technischer Dienstleister. Nicht nur macht er UN-Termino­logie auf Deutsch öffentlich zugänglich, sondern er ist auch ein kultureller Mittler, der komplexe politische, rechtliche, wirtschaftliche und technische Inhalte in eine Sprache überträgt, die für Parlamente, Verwaltungen, Medien und die breite Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum verständlich und nutzbar ist. Als offizielle UN-Dokumente tragen die vom DÜD erstellten Übersetzungen zu Transparenz und Teilhabe im internationalen System bei.

Der DÜD hat in den 50 Jahren seines Bestehens vor allem eine Tradition entwickelt: Die des Wandels. Von den analogen Anfangszeiten über elektrische Schreibmaschinen und die ersten Computer führten die technischen Entwicklungen über maschinengestützte und maschinelle Übersetzung zur künstlichen Intelligenz, durch die der Beruf des Übersetzens in den kommenden Jahren weiteren grundlegenden Wandel erfahren dürfte.

Mit der Einführung immer ausgefeilterer technischer Hilfsmittel ist der Anspruch an Effizienz und Produktivität gestiegen. Gleichzeitig fordert das sensible Umfeld der internationalen Politik höchste sprachliche Qualität und inhaltliche Präzision. Hier sind die Über­setzerinnen und Übersetzer des DÜD als hoch­quali­fizierte Sprachprofis mit einem genauen Verständnis von Nuancen und Kontext in Ausgangs- wie Zielsprache unverzichtbar.

Die deutsche Stimme der Vereinten Nationen

Der Deutsche Übe­rsetzungs­dienst der Vereinten Nationen ist ein kleines, aber wichtiges Rad im Getriebe des multi­lateralen Systems. Er sorgt dafür, dass die Stimme der Vereinten Nationen auch auf Deutsch klar und verständlich erklingt – in Berlin, Bern, Vaduz und Wien und darüber hinaus. In einer Welt, in der Sprache oft trennt, baut der DÜD seit 50 Jahren Brücken – Wort für Wort und Satz für Satz.

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