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2024 als internationales Jahr der Kamele: Investitionen in Nutztiere der Zukunft

Kamele leben und überleben in extremen Klimazonen. In mehr als 90 Ländern sichern sie den Lebensunterhalt von Millionen von Menschen. Um ihre Bedeutung heute und für die Zukunft herauszustellen, haben die Vereinten Nationen ihnen das Jahr 2024 als „internationales Jahr der Kamele“ gewidmet.

Foto: Christina Kamp

Mit dem internationalen Jahr der Kamele gehen die Vereinten Nationen auf die große wirtschaftliche, kulturelle und soziale Bedeutung dieser faszinierenden Nutztiere ein. Denn Kamele können bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine wichtige Rolle spielen. Ihre Milch, ihr Fleisch und ihre Fasern können dazu beitragen, Hunger und Armut zu überwinden. Mit Kamelen können sich Viehhalter in Zeiten des Klimawandels widerstandsfähiger aufstellen. Dank ihrer Genügsamkeit und durch die Produktion von organischem Dünger tragen Kamele zu einer nachhaltigeren Landnutzung bei. 

Der Begriff Kamele (Camelidae) ist ein Oberbegriff für eine Säugetierfamilie aus der Ordnung der Paarhufer. Zu den so genannten Altweltkamelen gehören das einhöckrige arabische Kamel (Dromedar) der heißen Steppen und Wüsten Asiens und Afrikas und das zweihöckrige baktrische Kamel (Trampeltier) der asiatischen Kältesteppen. Auch sehr kleine Populationen von Wildkamelen gibt es noch, die vom Aussterben bedroht sind. Zu den höckerlosen Kleinkamelen der „neuen Welt“ zählen die domestizierten Lamas und Alpakas und die wilden Vikunjas und Guanakos in Südamerika.

Beide Gruppen sind an Ökosysteme angepasst, wo andere Nutztiere kaum überleben. So spielen Alpakas und Lamas eine Schlüsselrolle in der Gebirgskultur der Anden, insbesondere für die indigenen Völker. Dromedare und Trampeltiere kommen mit den extremen klimatischen Bedingungen der Trockengebiete Afrikas und Asiens gut zurecht. Wo Dürren Rinder, Ziegen und Schafe das Leben kosten, können Kamele unter Umständen noch überleben. So kann ein Dromedar während einer Trockenzeit einen erheblichen Teil seines Körpergewichts verlieren, ohne zu verdursten.

Trampeltiere und Dromedare: Überlebenskünstler in der Wüste

Trampeltiere und Dromedare werden auch "Wüstenschiffe" genannt, denn sie können große Entfernungen unter extremen Bedingungen zurücklegen. Die Altweltkamele sind biologisch an aride und semi-aride Gebiete so angepasst, dass sie die dort vorhandenen natürlichen Ressourcen hervorragend nutzen können. So fressen baktrische und arabische Kamele alle Arten von Pflanzen, selbst dornige oder salzige. Sie kommen mehrere Tage ohne Wasser aus und trinken zur Not auch Brack- oder Salzwasser.

Wenn Wasser vorhanden ist, können sie mehr als 100 Liter in wenigen Minuten aufnehmen. Dank ovaler statt runder roter Blutkörperchen laufen sie nicht Gefahr, dass ihr Körper dabei „überwässert“. Mit dem Wasser in ihrem Körper können Kamele hervorragend haushalten, denn ihr Urin ist stark konzentriert und auch dem Kot wird vor der Ausscheidung die meiste Flüssigkeit entzogen.

Die Körpertemperatur von Kamelen ist variabler als die der meisten anderen Säugetiere und kann um 6 bis 8 Grad Celsius schwanken. Während der Nacht sinkt sie sehr stark ab und erhöht sich im Tagesverlauf langsam von morgens 34 Grad auf nachmittags 41 Grad. Das verringert die Gefahr von Überhitzung und das Kamel schwitzt erst ab 42 Grad.

Die markanten Höcker dienen als Fettspeicher und damit Energiereserven. Erst aus dem Fettstoffwechsel wird auch Wasser gewonnen. Sind die Höcker gut gefüllt, sind die Tiere gut genährt. Hängen sie schlaff herunter, sind die Fettreserven aufgebraucht.

Kamele helfen bei der Anpassung an den Klimawandel

Nach Schätzung des Sekretariats des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) leben derzeit rund 500 Millionen Menschen in Gebieten, die seit den 1980er Jahren von der Ausbreitung der Wüsten betroffen sind. Der Klimawandel macht ihnen immer mehr zu schaffen. Um die Ernährungssicherheit und das Einkommen der von der Viehwirtschaft abhängigen Familien zu stabilisieren, können Kamele einen wichtigen Beitrag leisten. Zum Beispiel in Uganda und anderen Gegenden Afrikas südlich der Sahara, wo die Kamelhaltung bislang keine Tradition hatte. So wurden die Herden im semi-ariden Norden Kenias in Folge der Dürre 2008–2009 zunehmend um Dromedare ergänzt. Nach Schätzungengeben diese sechsmal mehr Milch als heimische Rinder in Trockenzeiten.

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die weltweite Population der Trampeltiere und Dromedare fast verdoppelt, von 22 Millionen Tieren im Jahr 2001 auf 39 Millionen Tiere 2021. Rund 87 Prozent dieser Kamele leben in Afrika, etwa 13 Prozent in Asien.

Lamas und Alpakas der Anden

In Südamerika gibt es geschätzt etwa 7,5 Millionen Alpakas, vier Millionen Lamas, 350.000 Vikunjas und 600.000 Guanakos, vor allem im Hochland der Anden. Alpakas und Lamas gehören zu den ältesten Haustierrassen der Welt. Besonders beliebt ist ihre „Wolle“. Bei Schafen bezeichnet man das Fell als Wolle, bei Kamelen ist eher von Kamelhaar die Rede. Oft wird im weiteren Sinne auch das Vlies der Alpakas als „Alpakawolle” bezeichnet. Sie hat gegenüber Schafswolle wesentliche Vorteile, denn sie verformt sich nicht, ist leichter zu reinigen und auch für Allergiker geeignet. Außerdem hält sie länger und wärmt um ein vielfaches besser als Schafswolle. Damit gehört sie zu den feinsten und teuersten tierischen Fasern der Welt.

Lamas und Alpakas dienen indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften im Andenhochland außerdem als Last- und Arbeitstiere. Ihr Kot wird von Bauern als natürlicher Dünger zum Beispiel für Mais und Bohnen verwendet. Die Tiere schonen die empfindliche Gebirgsflora, denn sie knabbern nur Triebe ab und lassen die Pflanzen samt Wurzeln stehen. Da Alpakas keine Hufe haben, sondern Schwielensohler sind, schädigen sie mit ihren fast weichen, ledrigen Schwielen nicht den Boden.

Die Alpaka- und Lama-Zucht wird auch in anderen Regionen der Welt immer beliebter, vor allem wegen der hochwertigen Wolle, aber sie werden ähnlich wie Delphine auch gerne als Therapietiere eingesetzt. Immer mehr Menschen spazieren auf Alpakawanderungen mit den sympathischen Tieren durch die Landschaft.

Verwilderte Dromedare in Australien

Dass aber Kamele auch Probleme verursachen können, wo sie nicht heimisch sind und verwildern, erfährt Australien. Dort wurden Dromedare im 19. Jahrhundert als Lasttiere eingeführt. Als sie nicht mehr gebraucht wurden, hat man sie im wahrsten Sinne des Wortes „in die Wüste geschickt“. Mangels natürlicher Feinde haben sie sich in der Wildnis stark vermehrt und konkurrieren mit endemischen Tierarten um die karge Vegetation. Die Trockenheit treibt sie oft in menschliche Siedlungen, wo sie die knappen Wasserressourcen gefährden. 

Positiv gesehen können die Dromedare in Australien helfen, die übermäßige Verbreitung nicht-endemischer Pflanzen zu verhindern. Mittlerweile hat sich auch in Australien eine Kamelwirtschaft entwickelt, Fleisch und Milch werden genutzt und exportiert. Lebende Dromedare werden in arabische Länder exportiert, wo sie für die Zucht von Rennkamelen gefragt sind. Kamelrennen haben zum Beispiel im Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten eine lange Tradition und wurden 2020 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Insbesondere in Australien, aber auch in anderen Regionen, in denen Kamele nicht schon lange Teil der einheimischen Kultur sind, ist es wichtig, mit dem internationalen Jahr der Kamele 2024 das Bewusstsein für das ungenutzte Potenzial dieser Tiere zu schärfen. In der Vergangenheit hat Australien vor allem in Dürreperioden wiederholt Dromedare in großer Zahl abschießen lassen. Investitionen in die Kamelhaltung und -nutzung, in die Forschung und den Einsatz innovativer Methoden und Technologien, wie sie mit dem internationalen Jahr der Kamele gefördert werden sollen, können hier besonders hilfreich sein.

Christina Kamp

 

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