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Unterschätzte Multitalente

Seit über 50 Jahren sorgt die Ramsar-Konvention für den Schutz einzelner Feuchtgebiete – doch das reicht noch nicht aus: Weltweit sind diese wichtigen Ökosysteme bedroht. Dabei spielen sie für die Artenvielfalt und den globalen Wasserkreislauf eine herausragende Rolle.

Ein Gewässer mit Seerosen, im Hintergrund Schilf
Ein Feuchtgebiet in der südafrikanischen Provinz KwaZulu Natal. (UN Photo/Gill Fickling)

Vor tausenden von Jahren war er eines der größten Gewässers Mitteleuropas: 420 Quadratkilometer umfasste der Rosenheimer See im heutigen Oberbayern. Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen, denn vor etwa 12.000 Jahren verlandete und versumpfte der See. Mächtige Moore bildeten sich aus, die heutigen Rosenheimer Stammbeckenmoore. Zahlreiche Pflanzen und Tiere sind in den Hochmooren heimisch, wie etwa gefährdete Arten des Sonnentaus sowie vom Aussterben bedrohte Vogel-, Libellen-, Schmetterlings- und Heuschreckenarten.

Noch 2005 wurde in dem artenreichen Moor großflächig Torf für Blumenerde abgebaut. Mittlerweile wurden Teile renaturiert. Damit die Rosenheimer Stammbeckenmoore dauerhaft erhalten bleiben, hat Deutschland die Region 2020 als „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“ unter der Ramsar-Konvention ausgewiesen. 35 solcher besonderen Feuchtgebiete gibt es deutschlandweit. Neben Mooren finden sich darunter auch Flüsse mit ausgedehnten Feuchtwiesen, wie etwa die Untere Havel oder die Wattenmeere an der Nordseeküste.

Moore, Seen, Auenlandschaften spenden Leben

Unter die Definition von Feuchtgebieten fallen Auenlandschaften, Moore, Seen oder Mangrovenwälder. Sie alle sind unersetzliche Lebensräume für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Feuchtgebiete sind für 40 Prozent aller Lebensformen auf der Erde Brut- oder Lebensraum, darunter rund 30 Prozent aller Fischarten. Eine Vielzahl von Zugvögeln nutzen sie als Zwischenstopps auf ihren langen Reisen, ohne diese Lebensräume würde der Vogelzug in Gefahr geraten. Vier Milliarden Menschen sind auf die Ökosystem-Leistungen von Feuchtgebiete angewiesen.

„Feuchtgebiete sind Lebensspender. Sie erbringen jährlich Leistungen im Wert von 47 Billionen US-Dollar, darunter fast unser gesamtes Süßwasser, Lebensmittel, Rohstoffe und Medikamente“,  sagt Martha Rojas Urrego, Generalsekretärin der Ramsar-Konvention zum Welttag der Feuchtgebiete, der jährlich am 2. Februar gefeiert wird. In diesem Jahr wurde der Tag erstmals als internationaler Tag der Vereinten Nationen begangen. Weltweit gibt es Aktionen und Veranstaltungen, die die Bedeutung der Feuchtgebiete in den Mittelpunkt rücken.

Ein überraschendes Multitalent

Die Bedeutung der Feuchtgebiete wird noch immer unterschätzt, dabei sind sie echte Multitalente: Moore etwa speichern sehr große Mengen an Kohlenstoff. Vor allem in der Torfschicht ist besonders viel CO2 gebunden. Moore nehmen zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche ein, doch in Moorböden ist ungefähr ein Drittel des gesamten organischen Bodenkohlenstoffs gespeichert. Etwa 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind in Mooren weltweit gebunden. Das ist mehr als die Hälfte der Menge an Kohlenstoff, die sich derzeit in Form von CO2 in der Atmosphäre befindet.

Als Puffer erfüllen sie wichtige Aufgaben bei Überschwemmungen. Zugleich gelten Feuchtgebiete als besonders produktiv, da sie als Nahrungsquelle und Grundwasserspeicher dienen. Zudem helfen sie dabei, Wasser zu reinigen und die globale Wasserversorgung zu regulieren.

Eines der ältesten Abkommen zum Umweltschutz

Um die fraglichen Ökosysteme besser zu schützen, wurde 1971 das „Übereinkommen  über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung“ in der iranischen Stadt Ramsar geschlossen – daher ist das Übereinkommen als „Ramsar-Konvention“ bekannt. Es ist eine der ältesten internationalen Verträge zum Naturschutz. Wurde es einst vor allem zum Schutz von Wasser- und Watvögeln verabschiedet, hat sich heute sein Schwerpunkt erweitert: Es geht um den Schutz von Feuchtgebieten insgesamt.

Zwar wurde die Konvention von den Vereinten Nationen angestoßen, aber das Abkommen ist nicht Teil des UN-Systems. Doch das Ramsar-Sekretariat arbeitet eng mit den UN und ihren Unterorganisationen zusammen. 1975 trat die Konvention in Kraft, ein Jahr später ratifizierte auch Deutschland das Abkommen.

Bis zu 18 Prozent der Feuchtgebiete weltweit unter besonderem Schutz

Staaten, die dem Abkommen beitreten, verpflichten sich, mindestens ein Feuchtgebiet zu benennen sowie für den Erhalt der Feuchtgebiete zu sorgen – so wie es beispielsweise Deutschland bei den Rosenheimer Stammbeckenmooren tut. Außerdem soll die internationale Zusammenarbeit zum Schutz von Feuchtgebieten und der Informationsaustausch über diese Ökosysteme gefördert werden.

Bislang sind 172 Staaten der Konvention beigetreten. Weltweit wurden so bereits über 2.400 Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung mit einer Fläche von mehr als 2,5 Millionen Quadratkilometer ausgewiesen. Das sind zwischen 13 und 18 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete.

Noch immer unter Druck

Doch trotz dieser Bemühungen sind die Feuchtgebiete weltweit noch immer unter Druck. Auch wenn momentan mehr Feuchtgebiete in einem vergleichsweise guten als in einem schlechten ökologischen Zustand sind, sinkt die Fläche nach wie vor, die Feuchtgebiete weltweit einnehmen. Das bestätigt auch die Sonderausgabe des Global Wetlands Outlook, den das Ramsar-Sekretariat anlässlich zum 50-jährigen Bestehen der Konvention im Jahr 2021 vorgelegt hat.

Vor allem Landnutzung und Landwirtschaft beeinflusst den Zustand der Feuchtgebiete. So ging durch die Umwandlung von Land in Ackerflächen die Ausdehnung natürlicher Feuchtgebiete zwischen 1970 und 2015 um 35 Prozent zurück.

Und auch der voranschreitende Klimawandel beeinträchtigt den Zustand von Feuchtgebieten. Diese Entwicklung vollzieht sich schneller als erwartet, heißt es im Global Wetlands Outlook. Besonders der Anstieg des Meeresspiegels und die Korallenbleiche infolge von höheren Meeresoberflächentemperaturen führen zu gravierenden Veränderungen. Neben arktischen Feuchtgebieten sind dabei auch jene in Gebirgen besonders gefährdet.

„Wir brauchen Maßnahmen zur Wiedervernässung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten, um unser artenreichstes und wertvollstes Ökosystem für Mensch und Natur zu retten“, fordert deshalb Martha Roja Urrego. Es sei entscheidend, dass Maßnahmen zum Schutz, zur Bewirtschaftung und zur Wiederherstellung von Feuchtgebieten im Globalen Rahmenplan zur biologischen Vielfalt für die Zeit nach 2020 und in den national festgelegten Zielen der Länder aufgegriffen werden, um die notwendige Schutzwirkung zu erzielen.

Sandra Kirchner

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