Klimawandel und Verlust biologischer Vielfalt: nur gemeinsam zu bewältigen

Wenn sich die Erde immer weiter erhitzt, Dürren und Überschwemmungen stetig zunehmen, die Gefahr für Waldbrände steigt, hat das sowohl für den Menschen als auch die restliche biologische Vielfalt ernste Folgen. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) schätzte 2019, dass von acht Millionen Arten weltweit eine Million vom Aussterben bedroht ist. Mittlerweile kommt eine neuere Studie von 2023, basierend auf Daten der Roten Liste der Weltnaturschutzunion, sogar auf doppelt so viele: Zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten stehen demnach vor dem Aus. Dazu trägt auch der menschengemachte Klimawandel bei. Der erste gemeinsame Report von Weltklima- und Biodiversitätsrat stellte 2021 fest: Bei einer Erwärmung von 2 Grad sind 5 Prozent der Arten von klimabedingtem Aussterben bedroht, bei einer Erwärmung von 4,3 Grad sind es sogar 16 Prozent. Besonders drastisch würde es Korallenriffe treffen: Bei einer Erwärmung von 1,5 Grad schwänden sie auf 10 bis 30 Prozent ihres früheren Umfangs, bei zwei Grad bliebe weniger als 1 Prozent von ihnen übrig. Der Klimawandel könnte – zusammen mit veränderter Landnutzung – bis Mitte dieses Jahrhunderts zum größten Treiber des Artensterbens werden.
Je mehr unterschiedliche, genetisch vielfältige Arten in einem Ökosystem leben, desto widerstandsfähiger ist ein System – auch gegen die Klimakrise. Denn in einem diversen Ökosystem finden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auch solche Arten, die mit klimatischen Veränderungen und Schocks besser klarkommen, sich anpassen können und das System sozusagen abpuffern. Im Vergleich zu steigenden Temperaturen, Dürren und Überflutungen bemerken wir den Verlust der Biodiversität im Alltag viel weniger.
Auch deshalb steht er seltener im Fokus. Und das, obwohl schon der Verlust einer einzelnen Art dramatische Folgen haben kann. Denn Biodiversität gleicht einem Kartenhaus: Wir können immer wieder einzelne Karten herausziehen – solange, bis eine weitere alles zum Einsturz bringt. Denn jede Tier- und Pflanzenart hat eine bestimmte Rolle im Ökosystem. Fällt eine Art weg, hat dies zum Beispiel Auswirkungen auf die Ernährungsgrundlage anderer Arten. Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind eng miteinander verflochten. Entsprechend müssen auch die Lösungen verzahnt gedacht werden, wie beim naturbasierten Klimaschutz. Die Idee: Gleichzeitig Lebensräume für Tierund Pflanzenarten erhalten und Kohlenstoff speichern. Eindrücklich zeigen das die Moore: Sie sind nicht nur wichtig für die Artenvielfalt, sondern auch die effektivsten Kohlenstofflager an Land – sofern sie intakt sind. Allerdings sind 94 Prozent der deutschen Moorflächen entwässert, also trockengelegt, um die Flächen anderweitig zu nutzen, etwa für Siedlungen oder die Landwirtschaft. Wenn Moore wiedervernässt werden, indem ihr Wasserstand angehoben wird, speichern sie langfristig CO₂ in ihren Torfböden. Obendrein bieten sie Lebensraum für bedrohte Arten, darunter Pflanzen wie das Firnisglänzende Sichelmoos oder Insekten wie die Alpen-Smaragdlibelle (denen wiederum die Klimaerwärmung ebenfalls stark zu schaffen macht).
Auch nasse Moore können landwirtschaftlich genutzt werden, in sogenannter Paludikultur: Auf nassen Flächen werden etwa Rohrkolben, Schilf oder Torfmoose angebaut. Ein gutes Beispiel, wie Moorschutz, Klimaschutz und wirtschaftliche Interessen zusammengehen. Moortypische Biodiversität wiederherzustellen wird auch politisch immer wichtiger. Etwa im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK). Von 2024 bis 2028 stellt die deutsche Bundesregierung dafür 3,5 Milliarden Euro bereit – eine immense Summe, wenn auch wegen notwendiger Haushaltskürzungen viel weniger als die ursprünglich vorgesehenen 5 Milliarden Euro für 2023 bis 2026.
Besonders vielversprechend sind auch Küstenfeuchtgebiete mit Mangroven, Salzwiesen und Seegraswiesen: Sie binden etwa die Hälfte des Kohlenstoffs der Meeressedimente, den Ablagerungen auf dem Meeresgrund. Obendrein dienen diese Gebiete der Aufzucht und Nahrung von Fischen oder Schildkröten. Mangrovenwälder schützen zudem vor Flutschäden. Doch gerade Mangrovenökosysteme sind stark vom Klimawandel bedroht: Steigende Meeresspiegel könnten laut Weltnaturschutzunion weltweit ein Drittel von ihnen gefährden. Es braucht also wirksam umgesetzte Schutzmaßnahmen. Es gilt, Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam zu verwirklichen – und dafür auch international zusammenzuarbeiten.
Astrid Ehrenhauser
Dieser Beitrag erschien im Dezember 2024 in der Einen-Welt-Presse ‘Schutz der Natur und der Biodiversität’.