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Klimafolgekosten: Währung menschliches Leiden

Es steht außer Frage, dass das der Klimawandel vom Menschen verursacht ist und dessen Auswirkungen gravierend sind. Auch dass die Folgen des Klimawandels Menschen unterschiedlich stark treffen ist offensichtlich. Doch die Berechnung der Kosten des Klimawandels ist komplex und stößt an Grenzen. Vor allem dann, wenn es um dessen gesellschaftliche Auswirkungen geht.

Der Taifun Haiyan zerstörte 90 Prozent der Kokosnusspalmen in Leyte, Philippinen, 2014. (Quelle: Oxfam/Jan Kowalzig)
Der Taifun Haiyan zerstörte 90 Prozent der Kokosnusspalmen in Leyte, Philippinen, 2014. (Foto: Oxfam/Jan Kowalzig)

„Die Kausalität zwischen Emissionen und Temperaturveränderungen ist ziemlich gut verstanden. Es gibt in der internationalen Forschergemeinschaft praktisch niemanden mehr, der bestreitet, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Das gibt uns auch die Möglichkeit den Erwärmungsprozess aufzuhalten“, sagt Dr. Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Weitaus verzwickter und komplexer ist jedoch die Bestimmung der Kosten der Auswirkungen des Klimawandels. „Wenn es um die Kosten des Klimawandels geht, fragen die Menschen zu oft nur nach absoluten Zahlen, in Dollars oder als Prozent des Bruttosozialprodukts. Es muss aber um eine umfassendere Abschätzung der Folgen und um vielfältige Dimensionen wie Armut oder Ungleichheit gehen“, spannt Stéphane Hallegatte, Chefökonom der Global Facility for Disaster Reduction and Recovery (GFDRR) der Weltbank den Bogen.

Einfache Formeln gibt es nicht

Einfache Formeln zur Bestimmung der gesellschaftlichen Kosten des Klimawandels gibt es allerdings bisher nicht. „Wir sind schon ganz gut darin, die biophysikalischen Folgen des Klimawandels wie Starkregen, Stürme, überflutete Flächen und die Häufigkeit von Dürren zu beschreiben und zu quantifizieren und zu sagen, wie viele Menschen davon betroffen sind. Der schwierige Schritt ist dann allerdings zu bestimmen, wie sich die Wettereignisse konkret auf ganze Gesellschaften auswirken“, sagt die promovierte Mathematikerin Frieler. So werden nach Erhebungen des Internal Displacement Monitoring Centers (IDMC) derzeit im Durchschnitt 25 Millionen Menschen pro Jahr weltweit von Naturkatastrophen vertrieben werden, der weitaus größte Anteil (86 Prozent) gehen dabei auf Wetterextreme zurück. Wie sie dann jedoch damit fertig werden, ob sie es schaffen für sich und ihre Kinder wieder anderswo eine Existenz aufzubauen oder wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren, ob sie Gesundheitsschäden davontragen oder nicht, ob es zu lokalen Konflikten zwischen Bevölkerungsgruppen kommt oder nicht, lässt sich nur schwer vorhersagen und quantifizieren.

Kosten für Menschen, die fliehen müssen am höchsten

„Der Klimawandel ist ein zentraler Punkt für das Wohl der Menschen und die nachhaltige Entwicklung – die Kosten des Klimawandels könnten am höchsten sein für jene Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen“, sagt Koko Warner, Expertin für Migration bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) „In allen Fällen menschlicher Migration – sei es durch von Stürmen verursachte Vertreibung, das Ringen um eine klimasichere Existenzgrundlage, oder wenn die Rückkehr in die Heimat nicht mehr möglich ist die Suche nach bewohnbarem Raum – erfordert der Klimawandel einen neuen Grad der Widerstandsfähigkeit."

Nichtstun sicherlich am teuersten

„Die Wissenschaft zeigt, dass die aktive Begrenzung der globalen Erwärmung viel billiger ist, als einfach nichts zu tun. Nichtstun würde uns am Ende ein Vielfaches der rund zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kosten, die wir für die Klimastabilisierung aufbringen müssten“, sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität am PIK. „In diesen Abschätzungen werden jedoch Kosten für Gesundheitsschäden und zusätzliche Todesfälle, von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, und potenzieller Massenmigration, und nicht zuletzt die Kosten von anhaltender Armut noch gar nicht berücksichtigt“.

Bruttosozialprodukt nicht das Maß aller Dinge

Unbestritten ist, dass die Folgen des Klimawandels vor allem die Ärmsten treffen, meist in südlichen Regionen. „Naturkatastrophen halten oder bringen derzeit jährlich rund 26 Millionen Menschen in Armut“, so Hallegate. Bis zum Jahr 2030 rechnet die Weltbank mit einem Anstieg auf über 100 Millionen Menschen, wenn keine entsprechenden Gegenmaßnahmen getroffen werden. Das Bruttosozialprodukt (BIP) ist hierbei allerdings ein lückenhafter Indikator für die Quantifizierung der Auswirkungen des Klimawandels auf Gesellschaften und Menschen, unterstreicht der Ökonom. Abgesehen davon, dass das BIP nicht alle Aspekte des menschlichen Wohlbefindens und von Lebensqualität abdeckt, gibt es ja enorme Unterschiede in der Wirtschaftskraft. So trifft selbst ein nur geringer Rückgang des BIP Menschen und Gesellschaften, die eh nur wenig haben mehr als Reichere. Dies gilt vor allem für das südliche Afrika, das nur drei Prozent zum weltweiten Bruttosozialprodukt beiträgt, jedoch besonders vom Klimawandel betroffen ist. „Das BIP ist nicht das Maß aller Dinge, auch nicht bei der Bestimmung der Klimafolgenkosten“, bringt es Frieler auf den Punkt.

Zunehmende Extremereignisse nicht ausreichend berücksichtigt

Abgesehen davon gibt es auch enorme Unterschiede in den Kostenschätzungen des Klimawandels in ökonomischen Modellrechnungen sowie in empirischen Abschätzungen. Entsprechend einem empirischen Ansatz reduziert sich das weltweite BIP bis zum Jahr 2100 durch die Klimafolgen um rund 23 Prozent, falls nicht gegengesteuert wird. „Hierbei wurde geschaut wie das BIP bisher mit Temperaturschwankungen korreliert und dieser Wert wurde dann in die Zukunft fortgeschrieben“, erklärt Frieler. Dagegen veranschlagen andere ökonomische Modellrechnungen, dass das BIP aufgrund des Klimawandels bis zur nächsten Jahrhundertwende um „nur“ fünf bis zehn Prozent zurückgeht. Hierbei wurden jedoch sehr vereinfachende Annahmen gemacht, so Frieler. Meist nicht ausreichend berücksichtigt seien hierbei auch die Auswirkungen zunehmender Extremereignisse, beispielsweise klimaverursachter Epidemien.

Wert eines Menschenlebens lässt sich nicht ökonomisch bestimmen

„Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die tatsächlichen Kosten des Klimawandels höher sind, als unsere bisherigen Prognosemodelle zeigen“, betont Frieler. Um die Kostenberechnung des Klimawandels voran zu bringen, hält sie vor allem eine noch stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaftlern, Ökonomen und Sozialwissenschaftlern für nötig. Den Wert eines Menschenlebens ökonomisch zu bestimmen wird jedoch nie klappen. Dies wird auch in Zukunft eine ethische Frage bleiben. Umso mehr Ansporn also jetzt schon die Emissionen zu reduzieren, die Widerstandsfähigkeit der Menschen zu stärken und Anpassungsmaßnahmen auf der ganzen Welt auszuweiten, um menschliches Leiden möglichst zu verhindern.

Hans-Christoph Neidlein

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