Klimafinanzierung: Wie De-Risking die Ungleichheit erhöht

Die Begrenzung von Staatsschulden wird häufig mit Generationengerechtigkeit begründet. Wer heute mehr ausgibt, muss später mehr zurückzahlen. Als Alternative dazu werden private Investitionen angeführt, die vom Staat abgesichert werden. Dabei wird übersehen, dass eine Finanzierung der grünen Transformation über den privaten Kapitalmarkt die junge Generation viel stärker zur Kasse bittet – die Belastung ist lediglich verschleiert.
Dabei klingt er verlockend, der de-risking Konsens, wie ihn die Ökonomin Daniela Gabor nannte. Die lockere Geldpolitik nach der globalen Finanzkrise von 2007/8 sorgte für einen aufgeblasenen Finanzsektor, auf dem Kapital verzweifelt nach höheren Renditen suchte. Gleichzeitig waren die privaten Finanzinstitutionen zu scheu, zu investieren, da die wirtschaftliche Erholung und das damit verbundene Wachstum ausblieb. Staaten wollen dieses Kapital anziehen, in dem sie Investitionen in die grüne Transformation mit Abnahmegarantien absichern, die Investitionen also de-risken, da sie für den Investor so zu einem garantierten Erfolg wird.
Die Belastung trägt die Allgemeinheit
Die Problematik des de-risking lässt sich am besten am Beispiel eines Windparks in Kenia veranschaulichen, dem Lake Turkana Wind Project. Die Betreibergesellschaft gab Anleihen in Höhe von 680 Millionen Dollar aus, um Geld für die Investition zu erhalten. Der kenianische Staat verpflichtete sich, den produzierten Strom auf 20 Jahre zu einem profitablen Preis abzunehmen, der so hoch liegt, dass die Weltbank das Projekt nicht unterstützt. Ein großer Teil der Aktien dieses vom Staat Kenia abgesicherten Projekts wurden dann 2023 vom Blackrock Climate Finance Funds gekauft.
Die andere Seite der de-risking Medaille sind also risikofreie Profite der Betreibergesellschaft einerseits, und internationaler Vermögensverwalter andererseits. Für den kenianischen Staatshaushalt sieht es erstmal gut aus: die Staatsschulden steigen nicht. Nun, woher kommen die Profite des investierten privaten Kapitals? Die wahre Belastung, die Abnahmegarantie und die damit verbundenen höheren Energiekosten für die Verbraucher, die die Investition profitabel machen und in den globalen Norden fließen, liegt in der Zukunft. De-risking erhöht somit die Ungleichheit zwischen Staaten. Wenn abgesicherte Profite von den Verbrauchern und vom Staat garantiert werden, entkräftet das das Argument, dass private Investoren für ihr Risiko belohnt werden und privates Kapitel sich effizienter investiert, als wenn es der Staat übernimmt. Außerdem erhöht es die Ungleichheit, da zwar die meisten Menschen in Kenia Strom beziehen, die wenigsten jedoch Anteile am Blackrock Climate Finance Fund halten.
Das Geld fließt vom Süden in den Norden
Günstiger wäre es, wenn die Betreibergesellschaft sich nicht auf internationalen Finanzmärkten verschulden würde, sondern wenn der Staat direkt einstiege, die Gewinne in die lokale Wirtschaft investierte und einen stärkeren Einfluss auf das Projekt und die künftige Stromproduktion ausübte. Das ist allerdings kaum möglich, da Kenia große Auslandsschulden in U.S. Dollar angehäuft hat. Das liegt unter anderem daran, dass Anpassungsprogramme des IWF in den 1980er und 1990er Jahren eine Industrialisierung behinderten und stattdessen Deregulierung und den Export vom Primärgütern verordneten. Statt strategischer Importe zum Technologietransfer verwendet der Staat Einnahmen aus dem Export von Tee, Schnittblumen und Kaffee, um Zinskosten in U.S. Dollar zu tätigen.
Trotz des enormen Investitionsbedarfs fließt dadurch mehr Kapital aus dem Globalen Süden in den Norden, als andersherum – obwohl aus Klima- und Entwicklungsperspektive das Gegenteil der Fall sein sollte. In einem aktuellen Beitrag für Project Syndicate schreiben die Ökonomen Larry Summers und Nand Kishore Singh: “Billions to trillions, the catchphrase for the World Bank’s plan to mobilize private-sector money for development, has become millions in, billions out.“
Warum der Staat lieber selbst tätig werden sollte
Je geringer die Steuereinnahmen und Möglichkeiten, Staatsschulden aufzunehmen, desto geringer die Möglichkeit, den abgesicherten Investitionen durch privates Kapital auch Bedingungen zu stellen. Die Aussicht auf höhere Subventionen kann eine Verhandlungsgrundlage für besseren Arbeitsschutz, Tarifbindung, Standortgarantien, oder Investition in Forschung und Entwicklung sein. Durch die künstliche Begrenzung von staatlichen Ausgaben, wie es beispielsweise durch die Schuldenbremse geschieht, leiden hingegen oft bestehende Standards, beispielsweise wenn Steuertarife oder Umweltauflagen gesenkt werden. Die Begrenzung der Staatsschulden limitiert die demokratischen Möglichkeiten der Mitgestaltung der Klimainvestitionen. Ein Beispiel hierfür ist der Kapitalstreik bei einer Auktion für eine Off-Shore Windfarm durch den britischen Staat im vergangenen Jahr. Investmentfonds zogen sich zurück, weil ihnen das de-risking nicht gereicht hat.
Die grüne Transition bringt massive Unsicherheit über den Weg der Anpassung mit sich. Diese Unsicherheit ist nicht vergleichbar mit der einer Investition in eine neue Maschine oder in ein Fabrikgebäude. In der Privatwirtschaft erfordert hohe Unsicherheit hohe Renditen. Die Finanzierung von Klimainvestitionen durch privates Kapital gleicht einer verschleierten Belastung künftiger Generationen. Zwar steigen die Staatsschulden nicht unmittelbar, wenn der Staat private Investitionen absichert, jedoch muss die Bevölkerung nach Fertigstellung privater Wind- und Solarparks, Bahnstrecken, und energetischer Sanierung draufzahlen, um die Investition profitabel zu machen. Diese Kosten tauchen zwar nicht auf der Bilanz der Staaten auf, wohl jedoch auf der künftigen Bilanz der Haushalte. De-risking erhöht somit ebenfalls die Ungleichheit in Staaten, da ärmere Haushalte relativ einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben.
Die Allgemeinheit am Gewinn beteiligen
Der aktuelle de-risking Konsens wird die Konzentration von Privatvermögen weiter verstärken und dient der Absicherung von Renditen großer Investmentbanken und Vermögensverwalter, die in den letzten Jahrzehnten schon von den Privatisierungen von Immobilien, Infrastruktur, Krankenhäusern oder Pflegeheimen profitiert haben. Was in der Privatwirtschaft gilt – wer Risiko trägt, soll auch am Gewinn beteiligt werden – spielt beim de-risking keine Rolle. Damit steht de-risking im Gegensatz zum erfolgreichen New Deal unter Roosevelt, der Arbeitern und Arbeiterinnen eine sichere Perspektive bot und den Staat am Gewinn seiner Investitionen beteiligte. Um eine ähnliche Dynamik zu erzeugen, muss der Staat von künstlichen Einschränkungen wie der Schuldenbremse oder den Maastrichtkriterien befreit und der Globale Süden entschuldet werden. Wenn der Staat eine private Investition de-risked, dann bedeutet das immer, dass er die Ressourcen ebenfalls mobilisieren kann – nur günstiger.
Simon Grothe (M.Sc.) promoviert an der Universität Genf über die makro-ökonomischen Folgen von Einkommens- und Vermögensungleichheit.