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IPCC-Bericht: Noch kann die Menschheit den Klimawandel begrenzen

Bis 2030 muss die Menschheit ihren Treibhausgasausstoß deutlich senken, mahnt der Weltklimarat (IPCC) in seinem neuen Bericht. Sonst drohen teils irreversible Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme. Doch die Techniken, um die klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren, sind bereits verfügbar.

Mit Geothermie betriebenes Gewächshaus in Neuseeland (UN Photo/Evan Schneider)

Auf dieses Jahrzehnt kommt es an. Innerhalb dieser Dekade muss die Menschheit den weltweiten CO2-Ausstoß umfassend und schnell senken und so die katastrophalen Auswirkungen einer nahezu ungebremsten Klimakrise so weit wie möglich verhindern.

"Tiefgreifende, schnelle und anhaltende Minderungsmaßnahmen und eine beschleunigte Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen in diesem Jahrzehnt würden die [erwarteten] Verluste und Schäden für Menschen und Ökosysteme verringern", heißt es in der Zusammenfassung des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). Dieser sogenannte Synthesebericht wurde Anfang dieser Woche im schweizerischen Interlaken vorgestellt.

Fortschritt beim Klimaschutz noch immer zu langsam

Bisher macht die Menschheit aber nicht genug Tempo beim Klimaschutz - und so verkleinert sich das Zeitfenster, in dem der Klimawandel abgemildert werden könnte, zusehends. Das CO2-Budget, dessen Einhaltung nötig ist, um die Erwärmung bei 1,5 Grad beziehungsweise bei zwei Grad zu stoppen, wie es 2015 von der Weltgemeinschaft mit dem Klimaabkommen von Paris beschlossen wurde, ist schon stark geschrumpft. Damit die Erhitzung des Planeten mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit bei 1,5 Grad gestoppt werden kann, darf die Menschheit nur noch 380 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen.

Derzeit liegen die CO2-Emissionen, die die Menschen jedes Jahr verursachen, bei fast 40 Milliarden Tonnen CO2. Das Budget wäre somit in weniger als einer Dekade aufgezehrt. Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken und bis zur Mitte dieses Jahrhunderts Netto-Null erreichen. Danach muss der Atmosphäre zusätzlich noch CO2 – etwa durch die Anpflanzung von Wäldern oder durch technische Verfahren – entzogen werden.

Soll die Erwärmung erst bei zwei Grad stoppen, bliebe der Menschheit noch etwas mehr Zeit. Dafür müssen die Emissionen bis 2040 halbiert werden und bis 2070 Netto-Null erreichen.

"Die Menschheit bewegt sich auf dünnem Eis - und dieses Eis schmilzt schnell", sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres zum Erscheinen des neuen Berichts. Der Mensch sei für die gesamte globale Erwärmung der letzten 200 Jahre verantwortlich und die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs in den vergangenen 50 Jahren sei die höchste seit 2 000 Jahren. „Die Zeitbombe Klima tickt“, warnte Guterres.

Ein Mann putzt in der Sonne Solarpanelen.
Für die Bekämpfung des Klimawandels entscheidend: der Ausbau erneuerbarer Energien (UN Photo/Pasqual Gorriz)

Wissenschaft rechnet zukünftig mit höheren Risiken und größeren Schäden

Der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates trägt den aktuellen Wissensstand zum Klimawandel zusammen. Er besteht aus drei Bänden zur Klimakrise, darin geht es um die naturwissenschaftlichen Grundlagen, die Folgen der Erderwärmung und wie der Klimawandel begrenzt werden kann. Der jetzt veröffentlichte Synthesebericht enthält die Kernbotschaften der drei bereits bestehenden Teile und drei weiterer Sonderberichte wie beispielsweise zum 1,5-Grad-Limit.

Im Gegensatz zum Vorläuferbericht, dem fünften Sachstandsbericht von 2014 und 2015, rechnen die Klimaforschenden des IPCC mit größeren Risiken und umfassenderen Auswirkungen durch die erwartete Klimaerwärmung. Auch die Schäden und Verluste, die die Klimakrise verursacht, werden mit jedem weiteren Zehntelgrad Erwärmung heftiger.

Schon heute drohen irreversible Folgen durch Erderwärmung

Weltweit sind die globalen Durchschnittstemperaturen bereits auf 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau angestiegen. Verursacht hat das die Menschheit, die mehr als ein Jahrhundert lang fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas verbrannt, Böden häufig wenig nachhaltig genutzt und Wälder im großen Stil abgeholzt hat.

Die Konsequenzen sind lebensgefährdend: Die Erde ist heißer und trockener geworden. Die Erwärmung hat zu häufigeren und heftigeren Extremwetterereignissen geführt, die sich zunehmend bedrohlich auf Natur und Menschen in allen Regionen der Welt auswirken.

Einige Folgen des Klimakrise sind jetzt schon irreversibel und können weder verhindert noch später rückgängig gemacht werden. Dazu zählen das Absterben bestimmter Ökosysteme wie der Korallenriffe, das Auftauen des Permafrostbodens, das Schwinden der Gletscher oder das Ansteigen des Meeresspiegels in kommenden Jahrhunderten. Und die Wahrscheinlichkeit von abrupten oder unumkehrbaren Veränderungen steigt mit zunehmender Erderwärmung.

Die Techniken für die Transformation sind vorhanden 

Allerdings zeigt der jetzt vorgelegte Bericht auch, dass es die Menschheit noch schaffen kann, die katastrophalen Folgen der Klimakrise zu begrenzen. Dafür müssen die Förderung und Nutzung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas beendet werden. Der IPCC bricht herunter, was am effektivsten für den Klimaschutz ist: der Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie, der Erhalt und die Renaturierung von Ökosystemen wie etwa der Stopp der weltweiten Entwaldung und die Kohlenstoffspeicherung in Böden durch klimafreundliche Landwirtschaft.

In den vergangenen Jahren sind die Kosten für erneuerbare Energien und beispielsweise auch Batterien für Elektro-Autos erheblich gesunken, sodass eine Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise technisch machbar und wirtschaftlich ist. Längst sind neue Solar- oder Windparks billiger als der Bau von Kohlekraftwerken. Dennoch müssen die Investitionen in die Energiewende und den Klimaschutz dem Bericht zufolge erheblich wachsen. Um das 1,5-Grad-Limit nicht zu übersteigen, müssen die Investitionen in den Klimaschutz um den Faktor drei bis sechs erhöht werden.

UN-Generalsekretär Guterres forderte die G20 auf, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um ihre Emissionen schnellstmöglich zu senken. Auf die 20 größten Industriestaaten und Schwellenländer entfallen 80 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes. "Die Staats- und Regierungschefs der Industrieländer müssen sich dazu verpflichten, Netto-Null-Emissionen möglichst bis 2040 zu erreichen", sagte Guterres weiter. Die Schwellenländer sollten spätestens zehn Jahre später nachziehen.

Von Sandra Kirchner

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