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G20-Gipfel 2023 in Indien: Ein wenig Licht und große Schatten

Die Erwartungen an den G20-Gipfel waren im September 2023 angesichts des andauernden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, den zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise und den drastischen Rückschlägen beim Erreichen der SDGs besonders groß. Inwiefern wurden die Erwartungen erfüllt?

Generalsekretär António Guterres (Mitte) trifft in Neu Delhi, Indien, ein, um am jährlichen G20-Gipfel teilzunehmen.
Generalsekretär António Guterres (Mitte) trifft in Neu Delhi, Indien, ein, um am G20-Gipfel teilzunehmen (UN Photo/Ruhani Kaur).

Die Gruppe der Zwanzig (G20) werden als ein bedeutendes Forum für internationale Ordnungspolitik und Regulierung gesehen. Insbesondere nach der Finanzkrise 2008/2009 konnte die Zusammenarbeit maßgeblich zur Stabilisierung der Volkswirtschaften und Finanzmärkte beitragen. Bis heute prägen die Folgen dieser Krise die Arbeit der G20, die aus den 19 volkswirtschaftlich stärksten Ländern, der Europäischen Union (EU) und seit dem Gipfel auch aus der Afrikanischen Union (AU) bestehen, doch es sind auch neue Herausforderungen hinzugekommen. Gegenwärtig repräsentieren die G20-Staaten rund zwei Drittel der Weltbevölkerung, über 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, drei Viertel des Welthandels und sind derzeit für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich.

Unter dem Motto „Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft“ fand das diesjährige G20-Gipfeltreffen in Indien vom 9. bis zum 10. September statt, bei dem auch zahlreiche UN-Sonderorganisationen und weitere internationale Organisationen vertreten waren. UN-Generalsekretär Guterres sprach im Vorfeld des Treffens von der Weltgemeinschaft als eine eher dysfunktionale Familie, in der die Spaltungen wachsen und das Vertrauen schwindet. Er betonte in seiner Aufforderung an die Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit, gemeinsam für das Gemeinwohl zu handeln. Dabei sei eine globale Führungsrolle der G20 vor allem in den Bereichen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung dringend geboten.

Krieg als Streitthema

Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine blicken die G20 unterschiedlich auf die Bewertung der Situation. Während in der G20-Abschlusserklärung von Bali 2022 Russland noch klar als Aggressor genannt wird, und die Mehrheit der Mitglieder den Krieg aufs Schärfste verurteilen, ist das in Neu Delhi nicht mehr der Fall.

In der G20-Abschlusserklärung von 2023 wurde Russland nicht mehr direkt für den Krieg verantwortlich gemacht und kritisiert, stattdessen wird auf die Resolution der UN-Generalversammlung von 2022 verwiesen, mit der Russland aufgefordert wird, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen umgehend aus der Ukraine abzuziehen. Hingewiesen wurde auch auf das menschliche Leid und die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Weltwirtschaft und die globale Nahrungsmittel- und Energiesicherheit, was die G20 angehen wollen. Dabei begrüßen sie alle relevanten und konstruktiven Initiativen, die einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine unterstützen, heißt es weiter.

In die SDGs investieren

Deutlich war die Geschlossenheit bei den Verpflichtungen der G20, allen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals -SDGs) neuen Schwung zu verleihen und, dass erneut in sie investiert werden muss, wenn die Weltgemeinschaft die Ziele bis zum Jahr 2030 auch nur annähernd erreichen will. Das ist laut UN-Generalsekretär auch dringend notwendig, denn dafür muss die Weltgemeinschaft einen Quantensprung machen – insbesondere im Bereich der Finanzierung für nachhaltige Entwicklung. Auch wenn die Abschlusserklärung keinen direkten Bezug auf die von ihm geforderten 500 Billionen US-Dollar zum Erreichen der SDGs nimmt, lobte Guterres die Ergebnisse.

Wo bleibt der dringend notwendige Klimaschutz?  

Die Bewertungen der Staaten in Bezug auf eines der drängendsten Probleme unserer Zeit – die Klimakrise und ihre Folgen auf das Leben auf unserem Planeten – fallen sehr gemischt aus. Vor dem G20-Gipfel betonte Guterres, dass alle Genehmigungen oder Finanzierungen für neue Projekte für fossile Brennstoffe gestoppt werden sollten, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten. Doch in der Abschlusserklärung gibt es kein klares Bekenntnis zu einem zügigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Zudem fehlt die, laut UN dringend benötigte, schnellstmögliche Beendigung von klimaschädlichen und ineffizienten Subventionen der G20-Staaten in fossile Brennstoffe. Die G20 hatten lediglich bekräftigt, mittelfristig solche ineffizienten Subventionen auslaufen zu lassen und zu rationalisieren sowie bis 2050 CO2-neutral zu wirtschaften. Etwas Hoffnung gibt die vielbeachtete Einigung, dass die G20-Staaten ihre Kapazitäten für erneuerbare Energien bis 2030 verdreifachen sollen.  

Zivilgesellschaftliche Organisationen bewerten die Gipfelergebnisse angesichts der sich extrem zuspitzenden Klimakrise sehr negativ. Amnesty International betont, dass die Klimakrise den Menschen immenses Leid zufügt, während gleichzeitig viele besonders klimavulnerable Staaten in einer Schuldenkrise stecken. Die Menschenrechte von Milliarden von Menschen seien bedroht.

Neuer Schwung für mehr globale Gerechtigkeit?

2023 haben die G20 beschlossen, die AU als ihr neuestes Mitglied aufzunehmen. Diese Entscheidung wird von den UN begrüßt, denn sie spiegelt den wachsenden Einfluss und die Bedeutung afrikanischer Staaten auf der globalen Bühne wider. Als ein Großteil der bestehenden internationalen, multilateralen Architektur aufgebaut wurde, war der größte Teil Afrikas noch kolonialisiert und hatte keine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Daher ist die Aufnahme der AU ein weiterer Schritt, um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren, so ein Sprecher des UN-Generalsekretärs.

Entschlosseneres Handeln dringend geboten

Stabile und funktionierende Volkswirtschaften kann es nur geben, wenn die Weltgemeinschaft gemeinsam die Klimakrise eindämmt. Ergänzend und in enger Abstimmung zu den UN mit ihren Sonderorganisationen, ist es daher notwendig, dass Foren wie die G20, sich ihrer Verantwortung annehmen. Angesichts ihrer massiven Verursacherrolle der Klimakrise und ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung liegt es maßgeblich an ihnen, für eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu sorgen. Doch während der G20 bezüglich der Klimakrise, der Schuldenkrise der Länder des Globalen Südens und der Finanzierung zur Erreichung der SDGs eine besondere Rolle zukommt, sind die Ergebnisse des G20-Gipfels 2023 in keiner Weise ausreichend, um die Klimakrise einzudämmen und die SDGs bis 2030 noch zu erreichen. Um die Probleme unserer Zeit – insbesondere die Klimakrise als größte Bedrohung unserer weltweiten Wirtschafts- und Finanzstabilität – zu lösen, brauchen wir neben starken und reformierten UN auch gerechte und stabile multilaterale Foren auf dem Boden des UN-Völkerrechts, die sich ihrer Verantwortung stellen und gemeinsam sowie entschlossen handeln.

Laura Reiner

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