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Europa schützt seine Umwelt noch nicht genug

Die Luftverschmutzung ist in den vergangenen Jahren in Europa und Zentralasien weniger geworden. Aber noch immer werden die empfohlenen Werte der WHO verfehlt, zeigt ein aktueller Bericht. Können die Ziele für nachhaltige Entwicklung überhaupt noch erreicht werden?

Schornsteine einer Fabrikanlage stoßen dunkle Abgaswolken aus
Auch dieser Produktionskomplex in Toronto, Kanada, erzeugt Abgase. (UN Photo/Kibae Park)

Europa und Zentralasien sind nicht auf Kurs, was den Umweltschutz betrifft: Die Treibhausgasemissionen sind zu hoch. Um den Schutz von Ökosystemen ist es schlecht bestellt. Und es fällt zu viel Müll an, der nicht recycelt wird. All das geht aus einer Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) hervor, die auf der neunten Ministerkonferenz für Umweltschutz in Europa Anfang Oktober vorgestellt wurde. Erstellt wurde der Bericht von der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) sowie vom UN-Umweltprogramm UNEP.

Der mehr als 200 Seiten starke Bericht, der die Umweltpolitiken von 54 Ländern der EU, den Ländern des Balkans, des Kaukasus, Osteuropas und Zentralasiens untersucht, warnt die Politiker vor der dreifachen planetaren Krise – ein Aufeinandertreffen von voranschreitendem Klimawandel, dem Verlust der biologischen Vielfalt und zunehmender Umweltverschmutzung.

Die Bemühungen um Umwelt- und Ressourcenschmutz sollen intensiviert werden

Laut UNECE-Exekutivsekretärin Olga Algayerova sind die Ergebnisse des Berichts ein Weckruf. „Die historische Dürre, mit der die Region in diesem Sommer konfrontiert war, kündigt an, was wir in den kommenden Jahren zu erwarten haben, und zeigt, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben“, sagte Algayerova.

Die UN habe Instrumente und Ansätze entwickelt, um die Umweltverschmutzung zu verringern, den Umweltschutz zu intensivieren, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern. Jetzt müsse die Umsetzung allerdings deutlich beschleunigt werden. „Das erfordert ein dringendes und mutiges politisches Engagement und Verhaltensänderungen von uns allen, bevor es zu spät ist", sagte Algayerova weiter.

Zwar wurden in einigen Bereichen Fortschritte im Umweltschutz erzielt, jedoch bestünden weiterhin erhebliche Mängel, die die Gesundheit der Menschen und der Umwelt in der gesamteuropäischen Region bedrohen.

Luftverschmutzung geht zurück, aber ist noch immer ein Gesundheitsrisiko

So wurden in den vergangenen Jahren Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung ergriffen und dadurch einige Fortschritte erzielt. Um 13 Prozent sanken die vorzeitigen Todesfälle aufgrund einer geringeren Langzeitbelastung durch Feinstaubteilchen, deren Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) ist und bis in die Lungenbläschen gelangen kann, in der Zeit von 2009 bis 2018. Dennoch bleibt die Luftverschmutzung weiter das größte Gesundheitsrisiko in der Region, denn noch immer übersteigt die Konzentration von Feinstaub den Richtwert für die Luftqualität der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Deshalb sollen die Feinstaub-Emissionen aus dem Straßenverkehr und der Industrie weiter gesenkt werden.

Zu wenig Fortschritt gab es bei der Senkung der Treibhausgasemissionen. Zwar haben sich alle Länder in der paneuropäischen Region dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Doch aller Bekenntnisse zum Trotz steigen die Emissionen noch weiter an. Daran ändert die nur langsam zunehmende Nutzung der Erneuerbaren Energien wenig. Die gesamte Region stützt sich noch immer weitgehend auf fossile Brennstoffe, die 78 Prozent des Endenergieverbrauchs ausmachen.

Ökosysteme brauchen mehr Schutz

Nur ein geringer Teil der bewerteten Ökosysteme weise einen guten Erhaltungszustand auf. Obwohl sich die geschützten Gebiete in der paneuropäischen Region in den letzten 30 Jahren fast verdreifacht haben, sinkt die biologische Vielfalt noch immer. Die wenigen verbliebenen intakten Primärwälder müssten besser geschützt werden.

Unter Druck stehen auch Gewässer wie Flüsse und Seen. Noch immer sei die Verschmutzung und die Einleitung von Abwässern beträchtlich. Das Mittelmeer und das Schwarze Meer sind dem Bericht zufolge stark überfischt, während im Nordostatlantik und in der Ostsee Anzeichen für eine Erholung der Fischbestände zu beobachten sind.

Wenn die Menschheit die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) erreichen will, brauche es eine Änderung des Wirtschaftens und des Verhaltens, warnt der Bericht.

Die SDGs wurden 2015 von den UN-Mitgliedsstaaten beschlossen. Ziel war es weltweit, das soziale Wohlergehen und das Wirtschaftswachstum zu steigern sowie gleichzeitig Umwelt und Klima zu schützen. Dazu wurden Ziele in 17 Feldern definiert – wie etwa „keine Armut“, über „weniger Ungleichheit“ bis „bezahlbare und saubere Energie“, die bis 2030 erreicht werden sollen.

Keine Verbesserung in Richtung nachhaltige Entwicklung

Allerdings ist der Fortschritt zur Erreichung der Ziele zuletzt ins Stocken geraten. Bereits zum zweiten Mal in Folge ist die Welt bei der Umsetzung der Ziele zurückgefallen. Das geht aus einem Bericht zum Fortschritt der nachhaltigen Entwicklung, dem Sustainable Development Report (SDR), hervor, der im Sommer dieses Jahres vom Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen veröffentlicht wurde.

Dem Bericht zufolge liegt das an der Corona-Pandemie, die Rückschritte in mehreren Zielen verursacht hat. Erstmals seit 1998 ist der Anteil von Menschen in extremer Armut im Jahr 2020 gestiegen, von 8,4 auf 9,5 Prozent der Weltbevölkerung. Zudem seien rund 120 Millionen Menschen in die Armut zurückgedrängt worden (Ziel 1), es seien 255 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen (Ziel 8), und die Zahl der Hungernden habe sich um geschätzte 100 Millionen erhöht.

Aus Sicht der Autoren ist das „ein großer Rückschlag“. Schon vor der Corona-Pandemie kam die Menschheit jedes Jahr bei den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung nur mit einer Rate von 0,5 Prozent voran. Zwar machten die Entwicklungsländer größere Fortschritte als die Industriestaaten, aber insgesamt war die Entwicklung damit zu langsam, um die SDGs bis zum Jahr 2030 zu erreichen.

Die Welt soll inklusiver werden und auf fossile Brennstoffe verzichten

Auch bei den Klima- und Biodiversitätszielen sind die Fortschritte viel zu gering, insbesondere bei den Industriestaaten. Um die Ziele für einen nachhaltige Entwicklung noch zu erreichen, sollen die Regierungen, Kommunen und Unternehmen eine CO2-arme und inklusive Entwicklung einschlagen, empfiehlt der SDG-Bericht.

Sandra Kirchner

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