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Eine überfällige Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Namibia und Deutschland

Namibia und Deutschland sind gemeinsame Gastgeber des UN-Zukunftsgipfels. Ein Einblick in die gemeinsame Geschichte, die von Zeiten der Kolonialisierung und Völkermords gezeichnet ist, lässt eine solche Zusammenarbeit einerseits wenig selbstverständlich, andererseits überfällig erscheinen.

Am 21. März 1990 erlangt Namibia, nach mehr als 100-jähriger Fremdbestimmung, seine Unabhängigkeit. (UN Photo/John Isaac)

1884 war ein prägendes Jahr für Namibia, in dem es einen großen Teil seiner Identität unter dem Zwang der europäischen Mächte aufgeben musste. Im Laufe des achtzehnten und insbesondere neunzehnten Jahrhunderts hatten europäische Entscheidungsträger Interesse an der Region gezeigt, sei es zu geopolitischen Zwecken oder aufgrund der Küstenbeschaffenheit, die sich wegen ihrer Wassertiefe als besonders tauglich für Hochseefahrt erwies. Ende 1882 erwarb der deutsche Großkaufmann Adolf Lüderitz Boden in Namibia, um dort Tabakanbau zu betreiben. Er benannte den betreffenden Küstenstreifen nach sich selbst und bat Reichskanzler Otto v. Bismarck, seinen Besitz zu schützen. Dieser folgte der Bitte erst, als 1884 Großbritannien drohte, ihr Einflussgebiet über weite Teile Südwestafrikas auszuweiten. Im selben Jahr wurde Namibia zur deutschen Kolonie und damit zu Deutsch-Südwestafrika. 

Folgen der deutschen Kolonialisierung 

Nicht lange nach der Kolonialisierung sorgten Aufstände namibischer Stämme für so gewaltige Unruhen, dass deutsche Truppen in Namibia stationiert wurden. Namibia zieht als einzige deutsche Kolonie auf afrikanischem Boden immer mehr deutsche Siedler an, die sich nicht nur aufgrund der machtpolitischen Gegebenheiten dazu berechtigt fühlen, afrikanischen Einheimischen Land zu entziehen. Auch die Entdeckung Namibias als Diamanten-Quelle 1908 beflügelt die deutsche Zuwanderung. Trotz afrikanischer Aufstände gab es 1910 etwa 10 000 deutsche Siedler, mehr als doppelt so viele wie noch 1904. Im Januar des Jahres 1904 kam es zur Gegenwehr der afrikanischen Volksgruppen der Herero, welcher sich im Juli 1904 auch die Nama anschlossen. Der gemeinsame Aufstand gegen Gewalt, Unterdrückung sowie Rassismus wird zu einem Kolonialkrieg. Dieser gewinnt an Härte, als im Oktober 1904 der deutsche General Lothar von Truthar einen Schiessbefehl erteilt, der auf die völlige Vertreibung der afrikanischen Volksstämme abzielte, indem er die Vernichtung aller afrikanisch stämmigen Einwohner, inklusive Frauen und Kinder, wie der Bund schreibt: „wissend billigend in Kauf nahm“. Bis 1908 starben von 80 000 Herero etwa 65 000, von 20 000 Nama wurden etwa 10 000 getötet. Der erste Genozid des zwanzigsten Jahrhunderts ließ wenig vom heutigen Namibia übrig. 

Südwest-Afrika zurück in afrikanischer Hand: der Süden ändert die Ordnung 

Während des zweiten Weltkrieges wird Deutsch-Südwestafrika von Südafrika unterworfen. 1915 besetzte südafrikanisches Militär die Region, bevor sie fünf Jahre später, 1920, unter ein Völkerbund-Mandat mit südafrikanischer Führung fällt. Im gesellschaftlich schwer beschädigten Südwestafrika kehrt keine Ruhe ein. 

In folgenden Jahrzehnten weigert sich Südafrika auch unter internationalem Druck seine allumfassende Macht über Südwestafrika aufzugeben. Am 19. April 1960 gründet sich die South-West Africa People's Organisation, kurz SWAPO, dessen militärischer Flügel, die People‘s Liberation Army of Namibia (PLAN), das Risiko von Partisanenkämpfen auf sich nimmt, um Südwestafrika von fremder Vorherrschaft zu befreien. Nach einer Sitzung der Generalversammlung der UN 1971 gilt die Besetzung Südwestafrika’s durch Südafrika schließlich als illegal, 1977 gründet sich die Western Contact Group (WCG), bestehend aus Frankreich, Kanada, Großbritannien, den USA und Westdeutschland. Diese setzt sich zum Ziel, gemeinsam Diplomatie anzustrengen, um Namibia auf dem Weg in die Unabhängigkeit zu unterstützen. Es wird ein langer Weg voller Verhandlungen, versuchter Wahlen, Rückschläge und Neuverhandlungen bis ins Ende der 70er-Jahre, als schließlich vier UN-Vermittler für Namibia bestimmt werden, die von Südafrika vor allem anfänglich nicht ernst genommen werden. Viele diplomatische Anstrengungen später gelingen im Jahr 1988 endgültig erfolgreiche Einigungen zwischen den unterschiedlichen, internationalen Interessenvertretern. 

Südwestafrika verwaltet sich selbst 

Die Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates ruft zum Rückzug der illegalen Verwaltung Südafrikas in Südwestafrika auf. Die UN Transitional Assistance Group (UNTAG) beaufsichtigt die fairen und freien Wahlen nach 106 Jahren Fremdherrschaft, welche die SWAPO  an die Spitze Namibias bringt. Am 21. März 1990 erlangt Namibia endgültig seine Unabhängigkeit und Souveränität als Staat unter der Präsidentschaft von SWAPO-Präsident Samuel Nujoma, welcher bis 2005 drei Legislaturperioden lang regierte. Die Wahl seines Nachfolgers Hifikepunye Pohamba im Jahr 2004 sichert die Souveränität Namibias als (angehende) Demokratie. 2015 wird Pohamba durch Dr. Hage G. Geingob abgelöst. 

Deutschland und Namibia kooperieren für Namibias Entwicklung

Seit vielen Jahren wird die Entwicklung Namibias nun auch von Deutschland unterstützt. Es gibt Schul- und Uni-Partnerschaften sowie kulturellen Austausch durch u.a. das Goethe-Institut, die Namibia University of Science and Technology oder die Deutsche Welle, welche besonders in Programme zum Erlernen von Fremdsprachen involviert ist. Das Max-Planck-Institut für Nuklear-Physik in Heidelberg betreibt in Zentral-Namibia mit dem High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S) eines der weltweit führenden Observatorien in der Astrophysik. Es ist vor dem Hintergrund der Geschichte jedoch nicht überraschend, dass der Weg zur Aussöhnung auch heute noch steinig ist. 

Eine 2021 gemeinsam beschlossene Absichtserklärung zur Aussöhnung Namibias und Deutschlands, welche zentral eine Entschuldigung Deutschlands mit Bitte um Vergebung, Wiederaufbauhilfe und die Anerkennung der Verbrechen beinhaltet, wurde bis heute von keinem der Länder ratifiziert, da Vertreter der Oppositionspartei Namibias sowie Volksvertreter der Nama und Ovaherero dieser nicht zustimmen möchten. Letztere bringen vor, bei den Verhandlungen nicht ausreichend vertreten gewesen zu sein. Letztendlich sei der Beschluss ohne Zustimmung des Namibischen Parlaments gemacht worden, was eine legale Wirkungskraft ausschließe. Wie mit mit der Absichtserklärung also weiter umgegangen werden soll, wird dieses Jahr vor dem High Court Namibias verhandelt. 

Besonders in diesem Kontext ist die deutsch-namibische Partnerschaft für das Summit of the Future 2024 als besonders wertvoll anzusehen. Mag sie für eine respektvolle Einigung beider Länder symbolischen Charakter haben.

Mona Holy