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Das schafft kein Land allein: Heuschreckenplage in Ostafrika

Seit Monaten leidet Ostafrika unter Schwärmen von Wüstenheuschrecken, die Felder und Weideflächen kahl fressen. Nur noch eine international koordinierte Aktion kann helfen, die Folgen abzumildern und eine Hungersnot zu verhindern. Doch der weltweite Kampf gegen die COVID-19-Pandemie erschwert diese.

Eine Person in einem Schutzanzug hält eine Heuschrecke in die Kamera.
Auf einer Farm in Somalia zeigt ein Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums eine Wüstenheuschrecke. (Foto: FAO/ Isak Amin)

Noch ist die nächste Generation von Wüstenheuschrecken nicht in der Lage zu fliegen. Doch in Kürze werden sie sich wie die erste Generation zu riesigen Flugschwärmen zusammenfinden. Ein Schwarm kann flächenmäßig so groß wie das Saarland werden. An einem einzigen Tag legen sie bis zu 150 km zurück. Einmal über Land und Felder hergefallen, bleibt von Pflanzen oder Bäumen kaum etwas übrig – denn sie sind Allesfresser.

Vor allem zu dieser Jahreszeit ist das eine Katastrophe, denn im April geht in den meisten betroffenen Ländern die Vegetation auf und die Nutzpflanzen fangen an zu sprießen. Im Juni ist Erntebeginn. Die kommende Ernte, aber auch die Viehwirtschaft, ist damit in akuter Gefahr. “Die Lage ist extrem alarmierend”, so Keith Cressman, der Heuschreckenexperte der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Werden die Heuschrecken nicht im frühen Stadium getötet, droht eine verheerende Nahrungsmittelkrise, von der laut den Vereinten Nationen bis zu 25 Millionen Menschen betroffen sein könnten. „Es geht um das nackte Überleben“, betont Bettina Lüscher, Hauptsprecherin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP).

Extremwetterphänomene und bewaffnete Konflikte begünstigen Ausbreitung

Heuschreckenplagen treten weltweit immer wieder auf, doch dieses Ausmaß haben die meisten der betroffenen Länder seit mehr als 25 Jahren nicht erlebt. Ihren Ursprung hat die aktuelle Heuschreckenplage in Oman, Jemen und Saudi-Arabien. Die Regenfälle des Zyklons Luban ermöglichten dort Ende 2018 zahlreiche Brutstätten. Die Regierungen handelten zu spät und in Jemen verhindert der bis heute andauernde Bürgerkrieg eine Eindämmung der Plage. Der Wind trug die Tiere dann weiter bis nach Ostafrika und Südasien. Vor allem Kenia, Süd-Äthiopien und Somalia sind betroffen, aber auch Uganda, Südsudan und Eritrea leiden unter den Heuschreckenschwärmen.

Dass Ostafrika nun das neue Epizentrum der Plage ist, liegt auch am Wetterphänomen Indischer-Ozean-Dipol (IOD). Es tritt normalerweise alle vier bis sechs Jahre auf, in jüngster Zeit jedoch gleich dreimal hintereinander. Dies ist vermutlich auf den Klimawandel zurückzuführen. Dieses Wetterphänomen hat zu ungewöhnlich starken Regenfällen geführt. In der feuchten Erde entwickeln sich die Eier der Heuschrecken besonders gut.

Internationale Koordination nötig

In Kenia versuchen Experten derzeit alles, damit sich aus den neuen Larven keine flugfähigen Heuschrecken entwickeln. Ausgebildetes Personal versprüht am Boden Pestizide. In diesem Stadium ist es eine effektive Methode. Sind die Heuschrecken jedoch ausgewachsen, beginnen sie zu fliegen, und es hilft nur noch das Sprühen aus dem Flugzeug.

Der Einsatz von Pestiziden ist umstritten. Nicht nur Heuschrecken, sondern auch andere nützliche Insekten werden dabei getötet. Außerdem kann es zu gesundheitlichen Nebenwirkungen bei den Menschen vor Ort kommen. Daher sind umweltverträglichere Bekämpfungsmethoden, wie zum Beispiel der Einsatz eines Pilzes, im Gespräch. Aufgrund der fortgeschrittenen Ausbreitung der Heuschrecken gilt der Griff zur Chemie jedoch als alternativlos.

Kann ein von Heuschrecken heimgesuchtes Land nicht die gleichen Anstrengungen unternehmen wie andere betroffene Staaten, drohen neue Brutstätten. Schwärme könnten von dort aus in die benachbarten Länder einfallen und bereits erzielte Erfolge in der Schädlingsbekämpfung zunichte machen. Dagegen hilft nur ein international koordinierter Kampf gegen die Heuschrecken und entsprechende finanzielle Mittel, damit die Länder ausgebildetes Personal und Material einsetzen können.

FAO braucht 153 Millionen US-Dollar für betroffene Länder

Die FAO ist genau für solche Fälle im Einsatz. Ihr Mandat umfasst unter anderem die Überwachung, Vorhersage und Bekämpfung der Wüstenheuschrecken. Dabei arbeitet sie eng mit den betroffenen Regierungen und lokalen Partnern zusammen. Sie entsendet Heuschreckenexpertinnen und –experten sowie weiteres geschultes Personal, um die Kontrollmaßnahmen am Boden und in der Luft zu unterstützen. Neben technischer Beratung beschafft sie auch Material, wie zum Beispiel Sprühgeräte und zuletzt sogar mehrere Flugzeuge. Da die aktuelle Bekämpfung äußerst komplex ist und viele Länder betroffen sind, hat die FAO ihren Aufruf für die Bekämpfung der Heuschreckenkrise kürzlich auf 153 Millionen US-Dollar erhöht. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen unterstützt diesen Aufruf und weist darauf hin, dass eine Nahrungsmittelhilfe für die Länder deutlich teurer wird, sollte eine weitere Ausbreitung der Heuschrecken nicht verhindert werden.

COVID-19-Pandemie erschwert Hilfe

Als wäre das Problem nicht schon groß genug, verlangsamt nun auch noch der Kampf gegen die COVID-19-Pandemie den Einsatz gegen die Heuschreckenplage. Geschlossene Grenzen und Ausgangssperren in einigen Ländern führen bereits dazu, dass Material und Pestizide knapp werden. Einige dringend benötigte Lieferungen hängen an den Grenzen und in Häfen fest. Große Sorge besteht auch um eine ausreichende Besetzung der Einsatzteams. Neben Freiwilligen, die in den vergangenen Wochen ausgebildet wurden und die am Boden Pestizide versprühen, werden nun auch vermehrt Piloten für die Steuerung der Flugzeuge gebraucht. Viele von ihnen kommen aus Südafrika und müssen nach der Einreise nach Kenia und Äthiopien zunächst für zwei Wochen in Quarantäne. Sollten die dringend benötigten Helferinnen und Helfer nun auch noch an COVID-19 erkranken, könnte dies zu einer Verzögerung mit katastrophalen Auswirkungen führen.

 

Maheba Goedeke Tort

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