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Artenschutz auf hoher See

Ohne Ozeane kein Überleben – doch nur ein Bruchteil der Meeresfläche steht unter Schutz. Nun soll mithilfe eines neuen Abkommens die Biodiversität außerhalb nationaler Einflusszonen (BBNJ) bewahrt werden. Ein Überblick.

Nahaufnahme einer Qualle im dunklen Wasser.
Die Artenvielfalt der Hohen See umfasst auch diese Südamerikanische Kompassqualle. Foto: flickr/A Sparrow at Home-Deep Beauty/CC BY-NC-ND 2.0

(Foto: A Sparrow at Home/flickr/CC BY-NC-ND 2.0/Deep Beauty)

Ein Großteil unserer Erde besteht aus Wasser. 97 Prozent des weltweiten Wasseraufkommens befinden sich in den Ozeanen. Direkt oder indirekt ernähren die Gewässer Milliarden Menschen und bilden ein enorm wichtiges Ökosystem, dessen biologische Vielfalt bis heute nicht vollständig erforscht ist. Auch im Kampf gegen die Erderwärmung spielen die Ozeane eine tragende Rolle. So absorbieren sie circa 30 Prozent des von Menschen produzierten CO2.

Doch die Ozeane stehen unter enormen Druck: Plastik, Müll und giftige Abwässer gefährden zahlreiche Meereslebewesen. Trotz der enormen Bedeutung der Ozeane für das menschliche Überleben stehen bisher lediglich wenige Prozent der Meeresoberfläche unter Schutz, Nutzungswünsche und Ressourceninteressen verschiedener Länder widersprechen sich oft.

Das Seerecht, die Vereinten Nationen und die Hohe See

Im Jahr 1982 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) das Seerechtsübereinkommen (UNCLOS), um rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der Meere festzulegen. Es ersetzte die Genfer Seerechtskonventionen von 1958 und umfasst insgesamt 320 Artikel. Damit ist es der umfangreichste multilaterale Vertrag der UN. Bisher haben 168 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert.

Schifffahrt, Fischerei, Überflüge, Forschung und die Verlegung von unterseeischen Rohrleitungen und Kabeln: UNCLOS regelt nahezu alle Bereiche des Seevölkerrechts. Auch die die Abgrenzungen der verschiedenen Meereszonen werden darin festgelegt und somit die Frage, bis wohin Küstenstaaten die Gebietshoheit und damit die exklusiven Nutzungsrechte für Fischerei und Bodenschätze haben. Laut UNCLOS beträgt die Gebietshoheit eines Küstenstaates 12 Seemeilen ab Küstenlinie (22,2 Kilometer). Die exklusiven Fischereirechte und Rechte an Bodenschätzen besitzt ein Land bis maximal 200 Seemeilen jenseits der Küste, was 370,4 Kilometer entspricht. Die darüberhinausgehenden Gebiete – die sogenannte Hohe See – sind nicht nationalstaatlich aufgeteilt. Sie umfassen rund 50 Prozent der Erdoberfläche.

Sei es zum Fischfang, zur Seefahrt, oder zu Forschungszwecken: Alle Länder haben das Recht, die Hohe See zu nutzen. Sie gilt als gemeinsames Erbe der Menschheit. Auch sie ist Teil des Geltungsbereichs von UNCLOS: Verschiedene internationale Behörden wurden geschaffen, um die Einflussnahme in diesen Gebieten zu kontrollieren. Die UN etablierten den Internationale Seegerichtshof (ISGH), die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) und die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels, um Gebiets- und Nutzungsfragen rechtswirksam zu klären. Doch die Frage des Biodiversitätsschutzes wurde darin bislang noch nicht endgültig definiert. Das soll sich nun ändern: Ein rechtlich verbindlicher Rahmen soll für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Ozeane und ihrer Ressourcen sorgen

Biodiversitätsschutz jenseits nationaler Hoheitsgrenzen

Während der Generalversammlung der UN im Dezember 2017 wurde beschlossen, ein internationales Abkommen über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der „biologischen Vielfalt der Meere in den Gebieten außerhalb der nationalen Hoheitsgewalt“ auszuarbeiten – auf Englisch „Biodiversity Beyond National Jurisdiction“, oder kurz „BBNJ“. Im Jahr 2018 fand eine erste Konferenz statt, um organisatorische Fragen zu klären und eine Vorlage des Rechtsdokuments zu entwerfen. Im gleichen Jahr fand die erste BBNJ-Verhandlung in New York statt.

Zum ersten Mal werden einheitliche Umweltregeln unter dem UNCLOS verhandelt. Ursprünglich sollten die BBNJ-Verhandlungen bereits im Jahr 2020 ein verbindliches Abkommen ermöglichen. Doch aufgrund der Covid-19-Pandemie mussten die finalen Verhandlungen auf das Jahr 2022 verschoben werden. Im August 2022 kamen nun die UN-Mitgliedsstaaten in New York zusammen, um sich elf Tage lang mit der biologischen Vielfalt der Meere auf Hoher See zu befassen.

Die BBNJ-Verhandlungen im August 2022

Insbesondere vier Themenkomplexe wurden verhandelt: (1) Normen für die Errichtung von Meeresschutzgebieten einschließlich wirksamer Schutzmaßnahmen; (2) Prüfungsmechanismen, um die Umweltverträglichkeit von menschlichen Aktivitäten auf die Meeresumwelt der hohen See zu dokumentieren; (3) Regeln für den Umgang mit marinen tier- und pflanzengenetischen Ressourcen auf Hoher See; (4) Unterstützung von Ländern des Globalen Südens mit geeigneten Technologien zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität. Die Beschlüsse sollten in einem Entscheidungspaket zusammengefasst und von allen Staaten angenommen werden. Doch es konnte keine Einigung erlangt werden.

Fabienne McLellan, Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation Ocean Care und Beobachterin der Verhandlungen, beschreibt es wie folgt: „Trotz großem Verhandlungswillen, Eingeständnissen und Kompromissbereitschaft sind die Staaten darin gescheitert, das Abkommen über die Ziellinie zu bringen.“ Ein Hauptdiskussionspunkt, bei dem keine Einigung erzielt werden konnte, sind mögliche Gewinne für Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie aus den Ressourcen der internationalen Gewässer. Aufgrund der fehlenden Einigung mussten die Verhandlungen vertagt werden. Ein genaues Datum für die sechste Verhandlung ist bislang noch nicht bekannt.

Zahlreiche Länder, darunter insbesondere einige Inselstaaten im Pazifik, äußern große Enttäuschung über die Vertagung. „Wir müssen zu Ende bringen, was wir begonnen haben“, betonte eine Delegierte des Inselstaats Samoa im Nachgang der Verhandlungen. Nun dürfe es keine Verzögerung mehr geben. Die Ozeane müssen schnellstmöglich besser geschützt und die Nutzungsrechte der Meeresressourcen gerechter verteilt werden. 

Von Luisa Muhammad

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