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Anbau für die Satten

Ohne soziale Gerechtigkeit kann es kein Ende des Hungers geben. Wie ist es um das Verhältnis von Ungleichheit und Ernährungssicherheit auf der Welt bestellt?

Eine Frau steht in einem Feld Mais.
UN Photo/JC Ilwaine

Der Zusammen­hang zwischen Armut und Hunger ist zentral: 2,8 Milliarden Menschen sind laut Ernährungs- und Landwirt­schafts­organisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization – FAO) zu arm, um sich gesunde Nahrung leisten zu können. Trotzdem schaffen es die ton­an­gebenden Akteure der Agrar- und Lebens­mittel­industrie immer wieder, den Blick von diesen politischen und sozialen Ursachen auf eine Frage von Produktions­mengen und techno­logischen Neuerungen umzulenken.

Hunger als Verteilungs­frage begreifen 

Betrachtet man die global bedeutendsten Anbau­produkte, zeigt sich, dass unser Agrar- und Ernährungs­system immer weniger darauf ausgerichtet ist, Hunger zu bekämpfen. Zum Beispiel Mais: Dessen globale Anbau­fläche ist seit dem Jahr 2000 von 137 Millionen auf 208 Millionen Hektar gewaltig gestiegen. Mit diesem Zuwachs – der sechs­fachen Ackerfläche Deutsch­lands – ist der Mais­anbau weltweit am stärksten expandiert. Jedoch werden nur 15 Prozent der globalen Mais­ernte für die direkte Ernährung verwendet. Das meiste landet in Futter­trögen und über Ethanol-Fabriken in Auto­tanks.

So auch in Sambia. Hier leidet fast die Hälfte der Bevölkerung Hunger, obwohl das Land große Über­schüsse am Grund­nahrungs­mittel Mais produziert und damit leicht den Kalorien­bedarf der gesamten Bevölkerung decken könnte.

Ungleichheit angehen

Hunger trifft besonders Menschen, die von Armut betroffen sind oder sozial ausgegrenzt werden. Nicht, weil Lebens­mittel knapp sind, sondern weil den Menschen schlicht das Geld fehlt, um sie zu kaufen. Oder aber das Land zum Anbau von Nahrung ist zu knapp. Ursache hierfür kann entweder Land­grabbing sein, also der häufig halblegale oder illegale Land­erwerb durch inter­nationale Konzerne, private Investoren oder staatliche Akteure, oder hohe Land­besitz­konzentration, das heißt, wenige Land­wirtschafts­betriebe bewirtschaften den Groß­teil der Nutz­fläche. Ein­kommen und auch Land sind extrem ungleich verteilt. Es ist eine politische Aufgabe, sich mit den enormen Un­gleich­heiten aus­einander­zusetzen und diese zu beseitigen.

Das völkerrechtlich verankerte Menschen­recht auf Nahrung bietet einen wichtigen normativen Rahmen, um diese Un­gleich­heiten anzugehen. Hier werden Betroffene nicht als Empfängerinnen und Empfänger von Almosen gesehen, sondern als Inhaberinnen und Inhaber von Rechten begriffen. Die konkreten Probleme der Menschen sowie die Lösungs­ansätze bilden die Grund­lage von politischen Maß­nahmen. So verändern sich die Debatten weg von der Frage technologischer Innovationen hin zur Frage der Ernährungs­souveränität.

Ernährungs­souveränität orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen und bedeutet, dass Staaten ihre eigene Ernährungs­politik gestalten, sich vor dem übermäßigen Einfluss von trans­nationalen (Agrar-)Unter­nehmen schützen können sowie Teil­habe und demo­kratische Prozesse ermög­lichen. Dies beinhaltet auch eine Um­verteilung von Landbesitz.

Die Aufgabe der Vereinten Nationen

Die Verringerung der Un­gleich­heit fängt damit an, armuts­betroffenen und aus­gegrenzten Gruppen eine wirkungs­volle Mitsprache an Strategien zur Bekämpfung von Ungleich­heit zu geben. Daneben kommt der inter­nationalen Kooperation, die auch in den Menschen­rechten fest­geschrieben ist, eine bedeutende Rolle zu. Unter dem Dach der Vereinten Nationen müssen Lösungen für völlig über­schuldete Staaten, ein globales und gerechtes Steuer­ab­kommen oder auch zur effektiveren Durch­setzung der Menschen­rechte gefunden werden.

Staaten müssen deshalb den UN-Aus­schuss für Welt­ernährung (Committee on World Food Security) stärken, denn hier ist das Menschen­recht auf Nahrung fest verankert und hier können, wie in keinem zweiten Gremium der Vereinten Nationen, die Vertretungen der Betroffenen selbst­organisiert mitreden. Logisch nur, dass viele der dort verhandelten Politik­empfehlungen auch die Frage der Ungleich­heit deutlich ansprechen.

Roman Herre, FIAN Deutschland