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Steinkohleabbau in Kolumbien: Zerstörung der Lebensgrundlage lokaler Gemeinden?

Riesige Mengen Steinkohle werden täglich im kolumbianischen Bundesstaat La Guajira für den Export gefördert. Löcher werden in die Erde gerissen, dabei kommen große Mengen Staub in die Luft und es werden enorme Mengen Wasser verbraucht. Doch während die Unternehmen am Steinkohleabbau verdienen, ist für die umliegenden Gemeinden - entgegen vertraglicher Abmachungen - noch nicht einmal die Trinkwasserversorgung gewährleistet. Die Umsetzung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, die unter anderem Zugang zur einer sauberen Trinkwasserversorgung zusagt, steht in Gefahr. Ein Gastbeitrag von Alexandra Huck.

© Kolko e.V.
(Foto: Kolko e.V.)

Im Rahmen der im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurde auch das Ziel für Nachhaltige Entwicklung Nr. 6 zu einer sauberen Wasserversorgung und Zugang zu Sanitäreinrichtungen verabschiedet. Zentrales Zielsetzung ist es, bis zum Jahr 2030 eine saubere und bezahlbare Trinkwasserversorgung für jeden Menschen auf der Welt sicherzustellen. Ebenso wird auf die Verbessereung der Wasserqualität durch die Reduzierung der Verschmutzung von Gewässern eingegangen und bis 2030 sektorübergreifend eine substanzielle Verringerung des Wasserverbrauchs festgehalten. Der Anspruch der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, niemanden zurückzulassen und Entwicklung für jeden Menschen zu ermöglichen, zielt dabei insbesondere auch auf indigene und weitere häufig benachteiligte Gemeinschaften ab.

Doch indigene und afrokolumbianische Gemeinden haben in Kolumbien gegenüber den mächtigen Bergbaukonzernen kaum eine Chance – erst recht nicht in Anbetracht eines Staatswesens, das der betroffenen Bevölkerung kaum Unterstützung bietet: Gerichtsentscheidungen, die Unternehmen zu einer Verbesserung der Luftqualität verpflichten werden nicht umsetzt, Grenzwertverletzungen bei Wasserverbrauch von Unternehmen nicht geahndet und Mängel bei den Messungen zur Umweltverschmutzung kommentarlos hingenommen. All das geschieht, obwohl Kolumbien eine der progressivsten lateinamerikanischen Verfassungen hinsichtlich des Schutzes von ethnischen Minderheiten hat.

Aus der Region La Guajira beziehen auch deutsche Unternehmen ihre Steinkohle zur Stromerzeugung. Von dem Gewinn hat die lokale Bevölkerung wenig. Die Region La Guajira ist die zweitärmste Region des Landes. Nicht nur von Seiten des Unternehmens und des Staates besteht ein geringes Interesse an den Belangen der ländlichen Bevölkerung. Auch die Importeure für den deutschen Markt wiegeln ab und verweisen auf das soziale Engagement des Unternehmens Cerrejón über dessen Stiftungen, obwohl sie von Nichtregierungsorganisationen seit Jahren auf die Mängel hingewiesen werden.

Schrei Nach Wasser

Noch bis zum 22. März 2017 läuft eine Petition zur Unterstützung der betroffenen Menschen in der kolumbianischen Region La Guajira an den kolumbianischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Weitere Informationen und die Möglichkeit, an der Petition teilzunehmen, gibt es hier.

Kolumbien steigert seit Jahrzehnten beständig seine Exportrate und schloss das Jahr 2016 mit einem Volumen von 88,48 Millionen Tonnen Steinkohle ab. Dies war eine Steigerung um 10,8% im Vergleich zum Vorjahr. Die gesamte Fördermenge für Kolumbien betrug 90 Millionen Tonnen. Das Unternehmen Cerrejón exportierte dabei 32,4 Millionen Steinkohle. Hauptabnehmer für kolumbianische Kohle sind Europa, Süd- und Mittelamerika. Deutschland bezog aus Kolumbien im Jahr 2015 insgesamt 9,9 Millionen Tonnen Steinkohle.

Die Produktion von Steinkohle geht nicht nur zu Lasten der Umwelt in Kolumbien und Deutschland und verhindert Investitionen in nachhaltige Energiegewinnung, sie betrifft auch besonders die umliegenden ländlichen afrokolumbianischen und indigenen Gemeinden. Der Abbau von Steinkohle verschlimmert die prekäre Situation der Bevölkerung und verschärft Konflikte in Zeiten eines gesellschaftlich noch schwach verankerten Friedensprozesses.

Die indigene Wayúu-Gemeinde Tamaquito II wurde aufgrund des Kohleabbaus im Jahr 2014 umgesiedelt. Obwohl im Vertrag zur Umsiedlung zwischen dem Unternehmen Cerrejón und der Gemeinde festgehalten wurde, dass die Gemeinde rund um die Uhr Zugang zu Trinkwasser haben werde, hat die Gemeinde bis heute keinen gesicherten Zugang und ist von den Wasserlieferungen des Unternehmens durch Tanklaster abhängig. Das Wasser in den Tanks vor den Häusern riecht übelst, wenn es einige Tage in der Hitze in den Wassertanks vor den Häusern gestanden hat. Aber nicht nur die Gemeinde Tamaquito, auch die umliegenden umgesiedelten Gemeinden haben mangelnden Zugang zu Trinkwasser. Die von der Landwirtschaft geprägten Gemeinden haben darüber hinaus aufgrund des Wassermangels und des mangelnden Zugangs zu Land durch die Umsiedlungen ihre Lebensgrundlage verloren.

Die Existenz der Wayúu-Gemeinde Tamaquito II ist bedroht, solange das Unternehmen nicht seine Versprechungen erfüllt. Die Wayúu-Indígenas in Tamaquito haben vor ihrer Umsiedlung autark vom Fischfang, von der Jagd, von den Früchten des Waldes und vom Gemüse- und Feldbau gelebt. Am neuen, ca. 35 km entfernt liegenden Standort sind die Lebensgrundlagen der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner existentiell bedroht.

Das Unternehmen Cerrejón gehört den international tätigen Bergbaukonzernen Glencore plc (Schweiz), Bhp Billiton Group (Australien) und Anglo American plc (Südafrika/Großbritannien). Sie haben eine ausreichende Wasserversorgung bereits mehrfach zugesagt, ohne dass dies sich in effektive Maßnahmen übersetzt hätte.

Doch ob all dies nicht schon schlimm genug wäre, wird geplant, nun auch noch einen Fluss in der Region, den Arroyo Bruno umzuleiten, um den Tagebau nach Osten zu erweitern.

Es fehlt weiterhin der versprochene Zugang zu Trinkwasser. Und es fehlt das versprochene Wasser zur Bewässerung der Felder und zur Versorgung der Tiere. Diese Situation dauert nun schon seit mehr als drei Jahren an. Alle Versuche der Gemeinde, eine ausreichende Ernte einzubringen, sind am Wassermangel gescheitert. Das wenige vorhandene Grundwasser ist stark mineralhaltig und hat keine Trinkwasserqualität. Insbesondere die Kinder leiden seit der Umsiedlung an Hautausschlägen, die die Gemeinde auf das minderwertige Wasser zurückzuführt. 

Die trockene und semi-aride Region La Guajira leidet beständig unter Wassermangel und die Unterernährungsrate bei Kindern liegt weit höher als im Landesdurchschnitt. Die Daten dazu weichen voneinander ab. Eine unabhängige Untersuchung von indigenen Organisationen legt jedoch nahe, dass in den letzten acht Jahren 4.771 Kinder an Unterernährung im Bundesstaat La Guajira gestorben sind.

Die derzeitige Konzession von Cerrejón gilt bis ins Jahr 2032. Ein Ende des Bergbaus in La Guajira ist nicht in Sicht – und damit auch nicht ein Ende der Folgen für Menschen, Tiere und Umwelt in der Region.

Kommentar von Alexandra Huck, kolko Menschenrechte für Kolumbien e.V.