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Mit Halbmonden gegen die Ausbreitung der Wüste

Der Klimawandel hat die Böden in Niger hart und trocken gemacht. Doch die Menschen versuchen, sich zu behelfen – mit alter Tradition und neuer Zuversicht.

Eine Luftaufnahme zeigt halbkreisförmige Anbauflächen.
Durch die Halbmondtechnik wächst in Niger wieder dort etwas, wo jahrzehntelang eine Brache war. (Foto: WFP/Evelyn Fey)

Für ungeschulte Augen sieht der Boden unter Mahaman Dan Jimmas Füßen aus wie das Ergebnis einer Google-Bildersuche zum Stichwort Klimawandel. Die rötlich-braune Erde ist vertrocknet und an mehreren Stellen aufgebrochen, die wenigen Grashalme sind eher gelb als grün, ansonsten wächst hier kaum etwas.

Bauer Jimma ist trotzdem zufrieden. Was anderswo als Symbolbild für unbrauchbaren, von der Sonne verdörrten Boden gilt, ist hier, im westafrikanischen Land Niger, bereits ein kleiner Grund zur Freude. Die Risse in der Erde zeigen, dass nach dem letzten Sturzregen zumindest ein bisschen Wasser eingesickert ist. In anderen Teilen der Region wurde der steinharte Boden vor ein paar Wochen komplett weggeschwemmt, im Nachbarland Nigeria starben Hunderte Menschen. „So schlimm hat es uns hier nicht getroffen“, sagt Jimma, „das ist ein gutes Zeichen."

Es sind solche kleinen Erfolge, die den Bewohnerinnen und Bewohnern der Region Maradi im Süden Nigers Hoffnung geben in ansonsten ziemlich düsteren Zeiten. Während im Globalen Norden noch über die Erderwärmung diskutiert wird, bestimmen die Folgen des Klimawandels hier längst den Alltag.

Immer trockenere Böden

Verantwortlich dafür ist vor allem die geografische Lage. Niger liegt inmitten der Sahelzone, einem Streifen Land unterhalb der Sahara, der sich vom Atlantik im Westen bis zum Roten Meer im Osten quer über den afrikanischen Kontinent zieht. Durch Abholzung, Überweidung und die starke Nutzung der Äcker trocknen die Böden immer stärker aus; die Wüste rückt in Richtung Süden vor. ‚Desertifikation‘ nennt man diese Entwicklung. Der Klimawandel hat sie deutlich beschleunigt.

Gleichzeitig haben andere Extreme wie Gewitterstürme zugenommen. Insgesamt fällt dadurch zwar nicht mehr Regen, dafür kommen die Niederschläge plötzlicher und mit voller Wucht. Während die Regenzeit früher etwa vier Monate dauerte, seien es heute nur noch zwei, erzählt Jimma. In dieser Zeit wird das Land überschwemmt, im schlimmsten Fall kommt es zu schweren Fluten. „Man kann aber etwas dagegen tun“, sagt er und zeigt auf die Risse im Boden. Wenn die Erde so aussehe, sei schon einiges geschafft. Möglich sei aber viel mehr.

Ein Bauer steht in der Mitte des Bildes und erklärt gestikulierend etwas einer Gruppe von Journalistinnen und Journalisten.
Bauer Mahaman Dan Jimma beantwortet Fragen zur wiederentdeckten Halbmondtechnik. (Foto: Patrick Rosenow)

Wertloses Land wird wieder nutzbar

Jimma geht weiter. Nach etwa hundert Metern steht er auf einer Fläche, die mit kniehohem, gelbem Gras bedeckt ist. „Wer jünger als 30 ist, sieht hier zum ersten Mal etwas wachsen“, erzählt er stolz. Er selbst habe sich das kaum vorstellen können. „Aber wir haben nicht aufgegeben, sondern gearbeitet“, sagt Jimma. Das habe sich gelohnt.

Der Bauer ist Präsident eines Komitees, zu dem sich die Bewohnerinnen und Bewohner aus sieben Dörfern der Gegend zusammengeschlossen haben, um das wertlose Land wieder nutzbar zu machen. Unterstützt werden sie vom Welternährungsprogramm (World Food Programme, WFP) der Vereinten Nationen.

Tausende halbmondförmige Vertiefungen haben Jimma und 517 andere Männer aus der Gemeinschaft seitdem in den Boden gegraben, auf einer Fläche von etwa 42 Hektar. ‚Halbmondtechnik‘ nennen sie dieses traditionelle Verfahren aus der Region, das vor einigen Jahren wiederentdeckt und weiterentwickelt wurde. In den etwa vier Meter breiten Kuhlen sammelt sich in der Regenzeit das Wasser und hat so mehr Zeit, in den harten Boden einzusickern. Wenn sich die Erde gelockert hat, wird in der Mitte der ‚Halbmonde‘ ein Baum gepflanzt, an den Rändern werden Kräuter und Gras gesät. „Schon nach einem Jahr haben wir hier Ergebnisse gesehen“, erzählt Jimma. Mittlerweile sind die Vertiefungen unter den Pflanzen kaum mehr zu erkennen.

Ernte: Salat, Süßkartoffeln, Maniok

Dass es heute seltener zu Überschwemmungen komme, sei nur einer der positiven Effekte, sagt Jimma. Noch wichtiger sei, dass das Vieh endlich wieder genügend Futter habe. Das verhindere gewaltsame Konflikte zwischen Bauern und Hirten, die seit Jahren immer erbitterter um das kostbare, noch fruchtbare Land kämpfen.

Neben den Tieren profitieren auch die Menschen von dem Projekt. Salat, Gurken, Süßkartoffeln und Maniok, eine kartoffelähnliche Wurzelknolle, habe sie in diesem Jahr geerntet, erzählt Chema Noumou, die in einem der umliegenden Dörfer lebt. Auch dort wenden die Bewohner und Bewohnerinnen mittlerweile die ‚Halbmondtechnik‘ an, um ihre Landstücke wieder nutzbar zu machen. Ihre neun Kinder hätten seitdem an Gewicht zugelegt, sagt die 39-Jährige, außerdem seien sie seltener krank. Noch sind Noumou und ihre Familie wie die meisten in der Gemeinschaft auf Nahrungsmittelhilfen des Welternährungsprogramms angewiesen. In Zukunft können sie sich vielleicht, so hoffen sie, selbst versorgen.

„Am Ende muss es immer das Ziel sein, die Menschen unabhängig zu machen von akuter Soforthilfe“, sagt auch der WFP-Landesdirektor in Niger, Jean-Noel Gentile. Während man früher vor allem auf Katastrophen wie Hungersnöte reagiert habe, gehe es heute immer stärker darum, die Menschen auf Dürren oder Fluten vorzubereiten.

Mehrere bewirtschaftete Flächen auf einem sonst trockenen Untergrund.
Feldanbau in Niger. (Foto: Patrick Rosenow)

Die Sicherheitslage verschlechtert sich

„Wenn es um den Klimawandel geht, schauen wir immer in den Himmel“, sagt Gentile. Viel wichtiger sei aber der Boden. „Je besser die Erde, desto mehr können die Menschen verkraften.“

Wenn er auf die Gesamtsituation blickt, ist Gentile trotzdem besorgt. Denn noch geht trotz der enormen Anstrengung des Welternährungsprogramms und der Bevölkerung jährlich mehr fruchtbares Land verloren, als wiederhergestellt werden kann. Gleichzeitig wächst der Bedarf enorm: Mit durchschnittlich 6,6 Kindern pro Frau verzeichnet Niger 2022 das größte Bevölkerungswachstum weltweit. Berechnungen zufolge wird sich die Bevölkerung in 18 Jahren verdoppelt haben.

Hinzu kommt die fatale Sicherheitslage, die sich seit Jahren verschlechtert. Terrorgruppen wie Boko Haram oder Ableger des ‚Islamischen Staates‘ breiten sich auch in Niger immer schneller aus und zwingen Tausende zur Flucht. Das wirkt sich auch auf den Boden aus: „Wer sich vor Angst nicht mehr auf sein eigenes Feld traut, der kann natürlich auch mit den tollsten Anbautechniken nichts anfangen“, sagt Gentile. Von diesem Teufelskreis profitieren vor allem die Terroristen. Denn je schlechter die Menschen sich versorgen könnten, desto größer werde die Verlockung, sich den Terrorgruppen für das Versprechen von ein paar Geldscheinen anzuschließen.

Die Preise für Getreide sind gestiegen

Gentile spricht von einem „perfekten Sturm“, der sich zusammengebraut habe. Dazu gehört auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Niger ist zwar vergleichsweise weniger stark auf Getreideimporte angewiesen, aber die gestiegenen Öl- und Gaspreise machen sich auch hier bemerkbar. Der Transport von Lebensmitteln ist teurer geworden, ein Sack Hirse kostet teilweise doppelt so viel wie noch im Jahr zuvor. Leisten können sich das nur die wenigsten.

Dass die Menschen in dem kleinen Dorf in Maradi bislang von einer Hungerkatastrophe verschont geblieben sind, ist für Gentile immerhin ein Hoffnungsschimmer. „Wer sich auf seine Ernte verlassen kann, hat es natürlich auch in dieser Situation leichter“, sagt er. Dazu hätten die ‚Halbmonde‘ einen erheblichen Teil beigetragen.

Franca Wittenbrink

Hinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen der DGVN-Recherchereise „Humanitäre Hilfe in Niger“. Um einen Beitrag zu einem differenzierteren Bild über die weltweiten Aufgaben und Herausforderungen der Vereinten Nationen zu leisten, bot die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) im November 2022 eine einwöchige Informations- und Recherchereise für an. Dafür reiste eine Gruppe von Journalistinnen und Journalisten vom 6.-12. November 2022 nach Niger in die Tillabéri-Region mit der Hauptstadt Niamey und dem Ort Simiri.

Eine leicht geänderte Fassung des Artikels „Ein Halbmond für jeden Baum“ von Franca Wittenbrink erschien in der F.A.S. vom 25.12.2022. 

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