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Zum Erfolg verdammt: Das Pariser Abkommen und die Agenda 2030 – Wie Assesment Tools ihren Beitrag leisten

Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sind die Bereitschafts-erklärungen der Vereinten Nationen, Lösungen für die größten gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Nun geht es um die individuelle Umsetzung dieser beiden Agenden in die Strategien der einzelnen Nationalstaaten.

Der frühere UN- Generalsekretär Ban Ki-moon bei der Pariser Klimakonferenz 2015 (@ UN Photo/Rick Bajornas)

Historische Aufgaben brauchen Historische Agenden

Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sind die Bereitschaftserklärungen der Vereinten Nationen, Lösungen für die größten gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Allein diese Tatsache ist bereits historisch. Nun geht es um die individuelle Umsetzung dieser beiden Agenden in die Strategien der einzelnen Nationalstaaten. Für die sogenannten Nationally Determined Contributions (NDCs) ist dieser Prozess bereits im Pariser Klimaabkommen festgelegt.  Das Regelwerk zur Implementierung des Abkommens, das auf der 24. Klimakonferenz (COP24) in Katowice verabschiedet werden soll, soll einen Beitrag dazu leisten, diesen Prozess zu vereinfachen. Das Reporting und Monitoring der NDCs wird im Artikel 13 des Pariser Abkommens aufgegriffen. In diesem Artikel ist also festgelegt, dass die Länder nicht nur in regelmäßigen Abständen über ihre NDCs berichten, sondern deren Wirksamkeit auch überwachen.  Eine zentrale Aufgabe der  Ad-Hoc Working Group of the Paris Agreement 5 (APA 5) ist es hierfür entsprechende Prozesse zu entwickeln. Die wichtigsten, aber dennoch vorläufigen Ergebnisse, die als Basis für weitere Verhandlungen dienen, hat die APA 5 hier zusammengefasst.

Für die Agenda 2030 und damit für die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind vergleichbare Prozesse nicht vorgesehen, da sie in ihrer Komplexität weit über den Klimaschutz hinausreichen. Die Staaten haben dennoch die Möglichkeit in Volontary National Reviews (VNRs) über ihre Implementierung der SDGs zu informieren. Diese freiwilligen Berichte sind auf der Sustainable Development Knowledge Platform  der Vereinten Nationen einsehbar. Eine übersichtliche Länderzusammenfassung der VNRs aus dem Jahr 2017 finden Sie hier. Darüber hinaus haben viele Nationen bereits damit begonnen, auf unterschiedlichen Ebenen, die SDGs in ihre NDCs mitaufzunehmen.

Wie genau sind die SDGs aber in den NDCs verflochten?

Eine konkrete Antwort darauf liefert das online basierte NDC-SDG Connection Tool  des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und dem Stockholm Environment Institute (SEI). Mit wenigen Klicks bekommt der Nutzer eine genaue Analyse über die Zusammenhänge zwischen  NDCs und SDGs für jeden beliebigen Staat. Ziel des Tools ist es, die Verbindung zwischen NDCs und SDGs aufzuzeigen. Die Analyse dieser NDC- und SDG-Zusammenhänge zeigt deutlich, dass durch gezielte Maßnahmen der NDCs ein vielfacher zusätzlicher Nutzen für die SDGs generiert wird. Die Methodik des Tools ist hier beschrieben. Für politischen Entscheidungsträger bietet das Tool eine Reihe von Vorteilen:

 

·         Es erleichtert die koordinierte Umsetzung der SDGs im Zusammenhang mit Klimaschutzaktivitäten

·         Die Identifikation von Synergien zwischen NDCs und SDGs birgt die Gelegenheit zu einer noch ambitionierteren Umsetzung beider Agenden

·         Schwachstellen der Synergien, die durch das Tool sichtbar werden, können alle fünf Jahre, in der nächsten NDC-Runde, leichter von den Nationalstaaten aufgegriffen und verbessert werden

·         Die Ergebnisse von Einzelstaaten lassen sich leicht mit denen anderer Staaten ab- und vergleichen

Demgegenüber hat das World Ressource Institute (WRI) zeitgleich ein sehr ähnliches Tool entwickelt. Das ebenfalls online basierte NDC-SDG Linkages Tool stellt die graphischen Zusammenhänge zwischen NDCs und SDGs auf einer Weltkarte dar und erinnert somit in gewisser Weise an den NDC-Explorer des DIEs. Beide Tools basieren auf umfangreichen Textanalysen und Codierungen der NDC-Dokumente. Im Gegensatz zum WRI bietet das Tool des DIEs aggregierte Informationen zu Klimaaktivitäten und deren Beitrag zu einzelnen SDG Unterzielen. Gleichzeitig arbeitet das DIE-Tool die Synergien zwischen den NDCs und SDGs aus der Klimaperspektive graphisch (vgl. Abb. 1) heraus und bildet damit eine weitere Abgrenzung zum Tool des WRIs.

Abb. 1: NDC-SDG Synergieeffekte. Quelle: Brandi, Clara / Adis Dzebo / Hannah Janetschek / Claire Lambert / Georgia Savvidou (2017): NDC-SDG Connections. German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Stockholm Environment Institut (SEI). DOI: 10.23661/ndc-sdg_2017_1.0

Ein drittes Tool basiert auf einem Bottom-Up Ansatz und wurde von der UNDP entwickelt. Den Akteuren der Klimapolitik soll es dazu dienen, signifikante und direkte Auswirkungen Ihrer NDCs und den damit verknüpften SDGs zu identifizieren, um sie damit zu steuern und gegebenenfalls anzupassen. Eine nützliche Videoeinführung in das Tool ist hier hinterlegt.

Unterschiede zwischen Theorie und Praxis

In der Theorie verstärken und erzeugen die NDCs positive Synergieeffekte auf die SDGs. Durch die richtige Anwendung der zuvor vorgestellten Tools, können diese Effekte optimiert und verstärkt werden.  Oftmals kommt es aber zu Gegensätzen zwischen Theorie und Praxis. Aus diesem Grund, sollte man beide Agenden einmal kritisch betrachten. In einem <link meldung die-freiwilligen-selbstverpflichtungen-des-pariser-klimavertrags>früheren DGVN-Beitrag wurde in diesem Zusammenhang herausgestellt, dass die NDCs derzeit bei weitem nicht ausreichend sind, um die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5°C bzw. 2°C zu begrenzen. Dies wird zusätzlich noch durch den UNEP Emissions Gap Report 2017 untermauert. Er geht deutlich daraus hervor, dass noch viel Arbeit vor uns liegt wenn wir dem Paris-Abkommen gerecht werden möchten.

Doch wie schätzen Experten die Ziele der Agenda 2030 ein? Unlängst haben sich dazu v. Weizsäcker und Kollegen für den Club of Rome in ihrem Bericht „Wir sind dran!“ geäußert. Die Autoren stellen fest, dass es zwischen den sozioökonomischen (SDGs: 1-11) und ökologischen (SDGs: 13-15) SDGs zu massiven Wiedersprüchen kommt, falls keine grundlegenden Veränderungen in der heutigen Wirtschaftsweise herbeigeführt werden. Diese Diskrepanzen seien zudem dadurch verschärft, dass Politik und Wirtschaft die Interessen der sozioökonomischen SDGs maßgeblich über die Interessen der ökologischen SDGs stellen.

 

Forderung nach einer „Staatensymbiose“

Asfa-Wossen Asserate geht seinem Buch „Die Neue Völkerwanderung“ einen Schritt weiter und prangert die Missachtung des Artikels 30 der Agenda 2030 seitens Europa speziell gegenüber Afrika an. Darin heißt es:

„Die Staaten werden nachdrücklich aufgefordert, mit dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen nicht im Einklang stehende einseitige Wirtschafts-, Finanz- oder Handelsmaßnahmen, die der vollen Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, insbesondere in den Entwicklungsländern, im Wege stehen, weder zu erlassen noch anzuwenden.“

 

Im Wesentlichen die Haltung der Europäischen Agrarpolitik, die laut Asserate dafür sorgt, dass  afrikanische Händler durch subventionierte EU-Billigprodukte radikal vom Markt verdrängt werden. Darüber hinaus, so Asserate, entzieht der industrielle europäische Fischfang, der besonders stark vor den Küsten Afrikas agiert, vielen Kleinfischern ihre Existenzgrundlage. Damit verstößt die EU nicht nur gegen Artikel 30, sondern missachten mindestens auch SDG 14 und behindern außerdem die nachhaltigen Entwicklungsziele dieser Länder (SDGs 1, 2, 8). In Anbetracht dessen, kann offen hinterfragt werden, ob es ausreicht die globalen Nachhaltigkeitsziele nur auf nationaler Ebene anzugehen oder ob die Staaten zusammen versuchen sollten, gewisse Ziele gemeinsam zu erreichen. Es wird einmal mehr sehr deutlich, wie notwendig so eine Zusammenarbeit wäre. Insbesondere sollte angesichts der anhaltenden Massenmigrationsbewegung eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Afrika erfolgen.

Der Fokus sollte daher auf die Ursachenbekämpfung gelegt werden, statt sich auf die Symptombekämpfung zu fokussieren. Genau an dieser Stelle könnten in Zukunft beide Agenden einen wesentlichen Beitrag leisten, aber nur dann wenn diese konsequent und erfolgreich in einer verzahnten „Staatensymbiose“ umgesetzt werden. Eine wesentliche Notwendigkeit besteht darin, dass die NDCs und SDGs der einzelnen Nationalstaaten in Zukunft besser aufeinander abgestimmt werden. Denn in einer globalisierten Welt werden die globalen Ziele nur noch als Weltgemeinschaft zu erreichen sein. Die Frage ist, ob dies ein frommer Wunsch bleiben wird. In einer Zeit, in der sich auf der Welt immer mehr „Mini-Trumps“ heraus kristallisieren, wie Francis Fukuyama kürzlich in einem Interview im Handelsblatt beschrieben hat, wird dieser Prozess spannender. Trotzdem besteht Grund zur Hoffnung, denn beide Agenden haben eine internationale Bewegung in Gang gesetzt, die so leicht nicht mehr aufzuhalten ist. Angesichts der negativen sozio-ökonomische Szenarien, die durch ein Scheitern des Klimaabkommenss und der Agenda 2030 herbeigeführt werden könnten, steht fest: Beide Agenden sind zum Erfolg verdammt!  

 

Geschrieben von Jan Tolzmann