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Welttourismustag: Tourismus und digitaler Wandel

Digitale Technologien haben die stark vernetzte Welt des globalen Tourismus bereits fundamental verändert. Um „disruptive“ Innovationen im diesem Bereich weiter zu fördern, hat die Welttourismusorganisation (UNWTO) den diesjährigen Welttourismustag am 27. September in Budapest zum Thema „Tourismus und digitaler Wandel“ begangen. Im Mittelpunkt stand dabei ein Wettbewerb für Start-up-Unternehmen im Tourismus – doch deren Beiträge zu mehr Nachhaltigkeit sind dürftig bis verbesserungsfähig.

Start-up-Unternehmer und Referenten beim Welttourismustag 2018 in Budapest (Foto: Christina Kamp)

„Der Tourismus reicht weit in viele Sektoren hinein, von Infrastruktur und Energie bis hin zu Transport und Sanitärversorgung und er hat enorme Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Damit leistet er wesentliche Beiträge zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Doch Tourismus braucht Innovationen in Technologie, um seine potentiellen Beiträge zu realisieren”, so UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Grußbotschaft zum Welttourismustag 2018. Digitale Technologien seien zu “wichtigen Verbündeten für nachhaltige Entwicklung” geworden.

Laut Gloria Guevara, Präsidentin und CEO des Wirtschaftsverbandes “World Travel & Tourism Council” (WTTC), trägt der Tourismus über zehn Prozent zur globalen Wertschöpfung bei. „Wir wachsen immer weiter“, so UNWTO-Kommunikationschef Marcelo Risi. Aber „wir wollen besser wachsen“, so der neue UNWTO-Generalsekretär Zurab Pololikashvili.

Mit ihrem ersten internationalen Start-up-Wettbewerb wollte die UNWTO Unternehmen identifizieren, die zum Wandel im Tourismus wesentlich beitragen können. Ein Jahr nach dem Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung 2017 spielten viele große globale Herausforderungen dabei jedoch kaum eine Rolle.

Und die sind enorm: Armut, Hunger und Ungleichheit verringern, Gesundheit, Bildung und Geschlechtergerechtigkeit fördern, Umwelt schützen, den Klimawandel aufhalten, menschenwürdige Arbeit schaffen, Frieden sichern. Eines der größten ungelösten Probleme im Tourismus besteht darin, die Überlastung von Zielgebieten zu reduzieren oder zu vermeiden. Innovative digitale Technologien könnten dabei helfen.

Welcher Wandel?

Ausgewählt wurden in erster Linie Start-ups, die dazu beitragen, dass Unternehmen effizienter werden und mehr Umsatz machen, und dass Touristinnen und Touristen Zeit und Geld sparen. Zwar sollten die Start-ups auch „Nachhaltigkeit demonstrieren, um Umweltauswirkungen zu vermeiden oder zu minimieren“, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) spielen jedoch nur in einigen wenigen Geschäftsansätzen der 20 in Budapest als „Semi-finalists“ präsentierten Start-ups eine Rolle.

Mindestens einem der vier Bereiche “Zukunft des Reisens“, „touristische Erfahrungen“, „Umweltauswirkungen“ und „lokale Entwicklung“ sollten sich die Start-up-Projekte annehmen. In den Bewertungskriterien ging es um innovative Ansätze mit globaler Ausrichtung, um ihre Skalierbarkeit, belastbare Geschäftsmodelle und gute Umsatzaussichten, nicht aber um ihre Entwicklungswirkungen.

So helfen die ausgewählten Unternehmen zum Beispiel, den Check-in im Hotel effizienter zu gestalten, nutzen künstliche Intelligenz zur dynamischen Preisgestaltung oder zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit oder verbessern die Kundenkommunikation. Sie erstellen personalisierte Reiseangebote, ermöglichen Reiseplanung mit Videos, ermitteln die niedrigsten Hotelpreise oder suchen die nächstgelegene Unterkunft während eines Events.

Innovationen wofür?

„Welchem Zweck dienen diese Innovationen?“, fragte Adrian Kaufmann, Manager des „Booster“-Programms der Buchungsplattform Booking.com und machte sich – weitaus mehr als die UNWTO selbst – für Armutsbekämpfung stark.

Nur wenige der ausgewählten Semi-Finalists nehmen sich tatsächlich einem der SDGs an. So immerhin „Awake travel“ mit seiner Ausrichtung auf Naturschutz in Kolumbien oder „Make a difference travel”, das auf den Philippinen die Armut verringern will. Mit der App „refundit“, mit der sich Touristen in einer Reihe von Ländern bei der Ausreise die Mehrwertsteuer auf Einkäufe erstatten lassen können, soll unter anderem die bislang bestehende Benachteiligung von Kleinanbietern beendet werden. Die Jogging-App „Runnin’City“ widmet sich der Gesundheitsförderung und beim „Freebird Club“ stehen soziale Aspekte des Reisens und der Begegnung im Vordergrund.

Ungenutzte Potenziale

Während von diesen Ausnahmen abgesehen bei den meisten der Start-ups die Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung kaum zu erkennen ist, werden hin und wieder ungenutzte Potenziale deutlich. „HiGuests“ bietet umfassende Hilfestellung für Anbieter von Unterkünften, die große Buchungsplattformen nutzen möchten. Ginge es ihm um nachhaltige Entwicklung, könnte der Start-Up-Dienstleister seinen Schwerpunkt auf benachteiligte ländliche Regionen legen, statt auf z.T. bereits überlaufene städtische Zentren, wo es, so der Unternehmer, „einfacher“ ist. Das Unternehmen „Mabrian“ will mit „big data“-Analysen Unternehmen helfen, effizienter zu werden. Doch ließen sich nicht auch Daten auswerten, die der Branche helfen würden, nachhaltiger zu werden? „Byhours“ ermöglicht so genannte Microstays in Hotels – für drei, sechs oder zwölf Stunden. Doch was bedeutet die erhöhte Gästefluktuation für die Arbeitsbedingungen des Hotelpersonals? Würde das Start-up-Unternehmen sich auch dem SDG 8 zu menschenwürdiger Arbeit verpflichtet sehen, ließe sich das Konzept vielleicht um eine entsprechende digitale Innovation zum personalfreundlichen Management der Housekeeping-Abläufe ergänzen.

Arbeitsplätze schaffen reicht nicht

Für die vom Tourismus betroffene Bevölkerung, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kleinanbieter, aber auch für die Umwelt und das globale Klima bringen neue Technologien, neue Apps und Plattformen durchaus Chancen mit sich – aber auch Risiken. Digitale Technologien tragen nicht allein schon dadurch zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, dass sie vielleicht Arbeitsplätze schaffen (während sie dabei womöglich andere Jobs obsolet machen). Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen muss die Welttourismusorganisation die Latte höher legen. „Beim digitalen Wandel geht es darum, dass alle davon profitieren. Und wir stellen sicher, dass der Tourismus zu dieser globalen Verpflichtung beiträgt“, versprach der neue UNWTO-Generalsekretär Zurab Pololikashvili in seiner Grußbotschaft zum Welttourismustag.

Sollte die UNWTO ihre Rolle auch in Zukunft in der Förderung junger Unternehmen sehen, so sollte in einer neuen Wettbewerbsrunde kein Teilnehmer mehr fragen müssen, „SDGs – was ist das?“, wenn es darum geht, ob sein Projekt einfach nur Profit machen soll oder ob es auch zur Lösung globaler Probleme beiträgt.

Christina Kamp